Brot, Butter, Beats – Über Musik zur Modewoche

Von christiantjaben, 25. Januar 2010

These New Puritans bei der Fashionweek in Berlin

Und da ist sie auch schon wieder vorbei, die Fashion Week in Berlin. Ein paar Tage Trubel und gefühlte 100.000 Besucher auf den verschiedenen Veranstaltungen, das macht aus Berlin zwar noch lange nicht Paris oder Mailand, aber in Europa ist das zumindest eine Marke. Über die Looks der bevorstehenden Saisons müsst ihr woanders lesen, hier aber ein kurzer Eindruck, was Musik in diesem Kontext anbelangt.

Der Soundtrack zum Design, das ist in den letzten 20 Jahren eine Ebene geworden, die an Bedeutung für die Modemarken und –macher gewonnen hat. Wo auf den Messeständen früher höchstens vermeintlich angesagter Techno oder die Rapmusik zur Baggyjeans als Zielgruppen-Ranschmeißerei plärrten, findet längst angewandtes Sounddesign statt. Meistens. Hoffentlich. Oder?
Man darf nicht zuviel erwarten, denn zwischen vager Inspiration und plumpen Anbiederungen sind beim Vertonen von Kleidung alle Register vorhanden und so ganz eng werden Touch&Feel der Textilien und der zugedachte Sound selten geführt. Da 2010 schon mal gar nicht irgendein Mega-Macro-Übertrend dominiert (es ist ja auch schon fast alles durch, was sich á la 80er klanglich simpel umsetzen ließe), gibt es keinen Sound zur Saison.

Insgesamt gab es eher weniger Musik im Mittelpunkt der Frühjahrsmessen. Auf der größten Einzelveranstaltung, der Bread&Butter Tradeshow beschallten wie seit einigen Jahren üblich neben Wien/Hamburg Import DJ DSL vorwiegend Berliner local heroes die Flächen des Tempelhofer Flughafen Gebäudes, doch verhallten die Selections ein wenig in der lichten Höhe von zig Metern, die über allem viel Luftraum bot. Bei DJ Valis (Pan!k Berlin) hätte man sonst mehr von den Empires Of The Sun gehört („Passt perfekt“), oder bei Forty vom Watergate / Lwdwnsquad „runtergepitchten Psychedelic“ wie zum Beispiel Beyond The Wizard’s Sleeve. Weitere Soundbytes von der Messe: Old School UK-Hip Hop von den Demon Boys, der erwartungsgemäße Balearic-Elektro-Disco-Midtempo Sound („Catwalk Electro Pop“ nennt DJ André Langenfeld das) und klassischer Testosteron-Rock. Insgesamt war es am Tempelhof wie schon angemerkt diesen Winter wenig musikorientiert. Ein Max Herre stand quasi als einziger Vertreter der Gattung Musiker bei Clarks Originals am Stand und gab Autogramme, während bereits die Eröffnungsparty am Mittwochabend mehr Stil als hohes Profil bot: War im Sommer zur Rückkehr der Messe aus Barcelona noch mit Mando Diao eingeheizt worden, kamen nun Boss Hoss als Main Act auf die Bühne, die in einem Zirkuszelt auf dem Flugvorfeld, dem „Original Sin Saloon“ stand. Hier wurde während der Messe erfolgreich zum erbsündigen „Meat & Greet“ geladen, komplett im Wild West / Bierzelt Ambiente zwischen Burleske, Brezeln und Brathendl. Irgendwie eher „Schuh des Manitu“ als „Deadwood“ und vielleicht gerade wegen einer gewissen Bodenständigkeit ein offensichtlicher Erfolg beim Messepublikum.

Mehr Musik gab es natürlich bei den Abendveranstaltungen rund um die Messe und die anderen Fashionweek Events. Die Feier mit dem höchsten Hypefaktor inszenierte der Denim-Riese Diesel, dessen Inhaber, der italienische Modemillionär Renzo Rosso, selber in Berlin die großformatige Umsetzung einer Modenschau mit anschließendem Aftershow-Spektakel überwachte. In der Arena wurden trotz des aktuellen und in Berlin omnipräsenten Diesel-Werbeclaims „Be Stupid“ dann nach dem Defilee ganz undumm mit Ebony Bones und Theophilus London zwei Acts aufgeboten, die nicht nur ikonographischen sondern auch musikalischen Mehrwert boten. In einem sehr viel kleineren Rahmen ließen es Adidas angehen, die sich mit dem Vice Magazin zusammengetan hatten und die Kritikerlieblinge (und hübsch anzusehenden jungen Leute) These New Puritans für geladene Gäste aufspielen ließen. Anlass war die Star Wars Kollektion die in Berlin präsentiert wurde.

Während sich die großen Marken ihre Line-Ups meist per Agentur erkaufen lassen, machen kleinere Labels mit Szeneverbindung natürlich ihre Buchungen aus dem direkten Umfeld. Für die Kreuzberger Streetwear-Produzenten Iriedaily gingen letzte Woche u.a. Shitkatapult-Chef T.Raumschmiere und Die Rakede aus Köln mit ihrem „Beastie Boys treffen Deichkind auf dem Grab von John Belushi“-Sound an den Start.

Rund um den Kern der Fashion Week, die edleren Designevents der „Mercedes Benz Fashion Week“, die Premium und die Bread & Butter Messen, scharen sich natürlich längst diverse weitere Veranstaltungen zwischen wertiger Unterwäsche und unterirdischer Proll-Mode. In Zeiten der reduzierten Tonträgerverkaufserwartung sind die dazugehörigen Events, Parties, Präsentationen etc. nicht zuletzt ein lukrativer Markt für Bands und Musiker, die tatsächlich oder aus Versehen in eines der Beuteschemata der Bekleidungsindustrie passen. Und dank 360 Grad Vermarktungstrategie hat sich sogar die Musikbranche selber bereits in den Veranstaltungsreigen bewegt. Ob allerdings DSDS-Sternchen das Richtige sind, um sogenannte „Rock Fashion“ unter das modische Volk zu bringen, sei mal dahingestellt.

Ebenso fragwürdig sind manche Bookings, die die Modebranche sich gönnt, wenn es was Besonderes sein soll. Vor zwei Jahren feierte Boss opulent in der Russischen Botschaft Unter Den Linden und bot quasi nebenbei ein Konzert der Depressiven-Ikone Anne Clark auf, die wohl den Soundtrack zum Kalten Krieg darstellen sollte und sozusagen per Motto zu rechtfertigen war. Diesen Winter wollte es der lauteste Modemacher Berlins, Michael Michalsky wissen und zelebrierte sich selbst im Friedrichsstadtpalast. Für die musikalische Aussage des Abends waren die Alt-Popper Spandau Ballet gebucht. Die sind seit letzten Herbst auf Wiedervereinigungstour, aber es scheint, dass manche Designer-Egos manchmal eben keine wirkliche Sensation neben sich gelten lassen können.

Hier noch einige Impressionen von der Diesel Fashionshow:

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Diskussionen

0 Kommentare
  1. posted by
    IRIEDAILY x Depot2 – 36 Block Party : depot2.de der Blog
    Jan 28, 2010 Reply

    […] “Während sich die großen Marken ihre Line-Ups meist per Agentur erkaufen lassen, machen kleinere Labels mit Szeneverbindung natürlich ihre Buchungen aus dem direkten Umfeld. Für die Kreuzberger Streetwear-Produzenten Iriedaily gingen letzte Woche u.a. Shitkatapult-Chef T.Raumschmiere und Die Rakede aus Köln mit ihrem “Beastie Boys treffen Deichkind auf dem Grab von John Belushi”-Sound an den Start.” (Den kompletten Text findet ihr hier: byte.fm) […]

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