Chris Cohen – „Chris Cohen“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Chris Cohen“ von Chris Cohen

Chris Cohen – „Chris Cohen“ (Captured Tracks)

Die Musik von Chris Cohen klingt, als wäre sie unter der Oberfläche eines warmen Bades aufgenommen. Die Stimme des US-Amerikaners wirkt immer ein bisschen entfernt und trotzdem so unmittelbar, als würde man unter Wasser die Ohren zuhalten und den eigenen Gedanken lauschen. Währenddessen breiten sich die Gitarren, Pianos, Bläser und Streicher wie dichte Schaumgebilde über einem aus.

Hört man die Musik, mit der Cohen einst auf der Bildfläche erschien, dann wird diese äußerst anschmiegsame Komfort-Musik noch unwahrscheinlicher: Der Kalifornier erregte von 2002 bis 2006 als Mitglied der chaotischen Avant-Punk-Band Deerhoof Aufmerksamkeit. Parallel bewies er in seiner eigenen Band The Curtains sein Gespür für Pop-Melodien. Seine stilistische Wandelbarkeit machte ihn zur Allzweckwaffe des US-amerikanischen Weird-Pop, die neben Deerhoof bereits mit Ariel Pink, Cass McCombs und Weyes Blood zusammenarbeitete. 2012 veröffentlichte er sein Solodebüt „Overgrown Path“, mit „Chris Cohen“ erscheint nun sein drittes Album.

Goldig glänzendes Schaumbad

In der allumfassenden Wärme, die diese zehn Songs ausstrahlen, findet sich auch ein bisschen Traurigkeit – vermischt mit großer Erleichterung. Mitten im Entstehungsprozess dieses Albums trennten sich Cohens Eltern. Erst nach 53 Jahren Ehe traute sich sein Vater, zu seiner Homosexualität zu stehen. „Für mich war das, als würde eine große Last von meinen Schulter genommen“, sagte Cohen. „Als könnte mein eigenes Leben endlich beginnen.“ In „Edit Out“ adressiert er seinen Vater direkt: „We were loved from afar / Everyone kept in the dark.“

Ein melancholischer Chris Cohen ist also immer noch ein optimistischer Chris Cohen – was die Musik stets unterstreicht. Seine Songs bewegen sich zwischen goldig glänzendem 70er-Jahre-Soft-Rock à la The Carpenters, lieblichem Art-Pop in der Tradition der späten The Velvet Underground und dem filigranen Kammer-Folk, den Nick Drake einst auf „Bryter Later“ perfektionierte. Auch wenn er toxische Männlichkeit dekonstruiert („Green Eyes“) oder eine emotional distanzierte Jugend beschreibt („Song They Play“), tut er das mit einem gut gestimmten Swing – und einer großen Menge Empathie. Ein Album, so tröstend, beruhigend und wärmend wie ein Kaminfeuer. Oder eben ein langes Schaumbad.

Veröffentlichung: 29. März 2019
Label: Captured Tracks

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