Down By The River Festival 2011 – Ein Nachbericht

©Vera Hummel
©Vera Hummel

Am Ufer der Spree, nahe der Jannowitzbrücke in Berlin, dreht sich eine kleine Discokugel an einem Baum, dessen Äste bis über das Wasser reichen. Neben diesem Baum klafft eine sandige Fläche, auf der ein paar Baucontainer stehen. Nichts weist mehr hin auf die exzessiven Nächte der Bar 25, die hier letztes Jahr noch stattgefunden haben, nichts erinnert mehr daran, wie Abendröte und Morgendämmerung ineinander übergingen und man diesen Kosmos oft erst am Montag oder Dienstag taumelnd und glückstrunken wieder verließ.

Das Gelände der Bar 25 fiel städtischen Investoren zum Opfer, das Gelände wird bebaut – auch weil Berlin das zufließende Geld der Immobilien- und Gewerbebranche dringen nötig hat. Die Bar 25 ist umgezogen, einfach auf die gegenüberliegende Seite der Spree. Die neue Bar heißt nun Kater Holzig, kurz: Kater, und sie wirkt wie ein Spiegelbild der alten Location. Der holzige, durchlebte und zusammengeschreinerte Charme der Terrassen am Ufer und die vielen liebevollen Details vermitteln den Eindruck, als wäre alles gleich geblieben, als hätte es dort schon immer so ausgesehen.

Der Kater befindet sich auf einem alten Fabrikgebäude – das lässt Berlins neuen Abenteuerspielplatz um ein Vielfaches größer wirken als die Bar 25. Und hier fand am Samstag – kurz nach der offiziellen Eröffnung des Kater – das kleine, liebevoll kuratierte Folk-/Indiefestival Down By The River statt. Die dritte Ausgabe dieser Veranstaltung lockte mit zwanzig Bands, die sich mittlerweile überwiegend in Berlin angesiedelt haben und die der breiten Masse noch unbekannt sind. Die Übersichtlichkeit des Kater erlaubte einen entspannten Festivalablauf. Die Besucher brauchten sich nur zwischen zwei Bühnen zu entscheiden und die verschiedenen eigensinnigen Musikstile zogen viele Zuhörer an, die die Bands zwar nicht kannten, denen die Musik in dem Moment aber einfach gefiel.

©Vera Hummel
©Vera Hummel

In einem kleinen Schuppen am Ufer betrat am frühen Abend eine zierliche Gestalt mit bestickter Kutte und einer Art Fell-Perücke auf dem Kopf die Bühne: Marzipan Marzipan stöpselt ihre verschiedenen kleinen Synthesizer und Drum Machines immer wieder um und belustigt das Publikum mit ihren Ansprachen, die meist sogar länger sind als die Songs, die sie spielt. Die Musik von Marzipan Marzipan besteht aus geloopten Drum-Rhythmen, über die sie dann Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Oft sind das nur drei Sätze, die immer wiederholt werden, aber immerhin beschwört sie die Authentizität des Gesungenen.

Wie eine Parodie auf den deutschen Goth-Schlager wirkt dagegen Dagobert, der in einem schwarzen Frack kurze Zeit später auf der Holzbühne steht. Er schwelgt in Herzschmerz, steht alleine auf der Bühne und singt, oder vielmehr: heult zu einer Playback-Melodie. Das ist für fünf Minuten ganz nett anzuschauen, so richtig ernst nehmen kann man es allerdings nicht.

©Vera Hummel
©Vera Hummel

Viel interessanter ist es da, das Gelände noch etwas zu erkunden. In dem alten Fabrikgebäude befindet sich im dritten Stock ein Restaurant mit einer erlesenen Speisekarte und dem Zugang zu einer Dachterrasse. Von dort aus überblickt man nicht nur das Gelände, sondern auch weit über die Spree hinaus das abendliche Berlin.

Nach Sonnenuntergang steht Brendon Massei alias Viking Moses auf der Main Stage im Inneren der Fabrik. Er spielt seine Songs zwar nur auf einer E-Gitarre und wirkt im ersten Moment unscheinbar, die Mimik und Gestik mit denen er seine Lieder unterstreicht, sind aber absolut sehenswert. Jeder Satz bekommt eine ehrliche, eindringliche Bedeutung, wenn er mit den Schultern zuckt, seine Handgelenke verlegen dreht und gehemmt die Hüften kreisen läßt. Leider waren viele Zuschauer zu seinem Slot aber nur gekommen, um sich die besten Plätze für den darauf folgenden Headliner zu sichern: Chinawoman.

Die russische Sängerin aus Kanada wohnt in Berlin und hat sich durch ihre Internetpräsenz schon eine vergleichsweise breite Fangemeinde gesichert. Ihre melancholischen und schweren Songs gleicht sie mit ihrer freundlichen und humorvollen Art aus. Ihre Musik bewegt sich haarscharf am Soundtrack eines Quentin-Tarantino-Films vorbei: Ein bisschen sexy, ein bisschen traurig. Aber vor allem die Kombination aus reduzierter Instrumentalisierung und tiefem Gesang versetzt die Festivalbesucher in einen eigenartigen Zustand. Chinawoman trifft mit ihrer Musik den Übergang zwischen Lachen und Weinen, zwischen der Tragik und Komik des Lebens.

Nach dem „Down By The River“ Festival konzentriert sich der Kater zwar wieder auf den verspielten und elektronischen Klang des Bar 25-Labels. Doch auch künftig wollen die Veranstalter verstärkt auf andere Formen von Kultur setzen. Damit soll ein Forum geschaffen werden, das auch den nicht immer kompatiblen Kreativen zum Auftritt verhilft. Und obwohl der Kater erst wiedereröffnet wurde als die Tage schon wieder kürzer wurden: Für diesen Sommer hat er noch viel versprochen.

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.