FloFilz – „Speakthru“ (Rezension)

Cover des Albums Speakthru von FloFilzFloFilz – „Speakthru“ (Jakarta)

7,1

Man möge diese polemische Frage verzeihen, aber: Ist Jazz eigentlich Rentnermusik? Nicht dass in der Welt des instrumentalen Virtuosentums im Jahr 56 nach „Kind Of Blue“ musikalischer Stillstand herrschen würde. Doch vom einstigen Treffpunkt juveniler Hippness ist der Jazzclub heute so weit entfernt, wie New Orleans zehn Jahre nach Hurrikan Katrina vom Wiederaufbau. Daran wird auch FloFilz wenig ändern. Er ist ohnehin nicht der Typ, der die Millennials mit seinen Beats auf die Tanzfläche zwingt. Doch FloFilz macht einen ersten Schritt.

Seine Methode heißt Awareness. Flo ist im engeren Sinne kein Jazzer. Aber er ist ein Schüler der „Low End Theory“, der Lehre A Tribe Called Quests. Der Sampler machte aus dem studierten Violinisten einen Beatmaker, heute wühlt sich der Belgier durch staubiges Geklimper; er hat sich der infiniten Suche nach den goldenen Schnipseln verschrieben. Und um an dieser Stelle zu spoilern: Er ist einmal mehr fündig geworden.

Ein Freund knisternden Boombaps

„Speakthru“ ist FloFilz’ zweites Solo-Release. Erst im letzten Jahr offenbarte sich der mittlerweile in Aachen ansässige Produzent mit seinem LP-Debüt „Metronom“ als Freund knisternden Boombaps. Dass sein Erstling damals über die Kölner HipHop-Instanz Melting Pot Music erschien, war nur konsequent. Schließlich war es jenes Label, das sich vor einigen Jahren der hiesigen Beat-Szene widmete und mit seiner „Hi-Hat Club“-Reihe das instrumentale HipHop-Geschehen abseits der großen Wortgefechte porträtierte.

Dieser Tage geht der „Hi-Hat Club“ nach zweijährigem Sabbat in die siebte Runde und entdeckt dabei das Feld synthetischer Spannung, in das sich Flying Lotus einst mit seinem Beat-Wissenschafts-Lab Brainfeeder begab. FloFilz hat dagegen mit Jakarta Records eine neue Labelheimat – und kommt ganz unbeirrt mit einem jazzigen Langspieler daher. Bei all der Neunziger-HipHop-Ästhetik, die da nun durchscheint, könnte man FloFilz musikalischen Stillstand unterstellen. Beirren ließe er sich davon sicherlich wenig. Warum auch? Schon wenn in „Hamptons“, Track drei auf „Speakthru“, Piano- und Bläser-Loops zu einem schleppend-hypnotischen Loop zusammenlaufen, dann ist zwar der instrumentale Rahmen abgesteckt, doch gleichzeitig auch dieser unwiderstehliche Groove gesetzt, der FloFilz’ Produktionen innewohnt.

Wo FloFilz die Beats seiner Debüt-LP ganz selbstbewusst für sie selbst sprechen ließ, lässt „Speakthru“ gleich eine Handvoll Redner ans Pult. Auf MC-Seiten etwa den vielversprechenden norwegischen Neuling Ivan Ave sowie Kaliforniens unberechenbare Untergrundwunderwaffe Blu, bevor die in London ansässige Chiara Noriko mit „A Lil Bit Of“ unter Beweis stellt, dass sich FloFilz’ Instrumentale auch wunderbar für gesangliche Gymnastik anbieten. „Speakthru“ ist damit weder für HipHop noch für Jazz irgendwie Neuland. Doch im Kosmos von FloFilz sind das große und großartige Schritte.

Label: Jakarta

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.