Gorillaz-Debüt wird 20 Jahre alt

Von ByteFM Redaktion, 26. März 2021

Cover des Albums „Gorillaz“ von Gorillaz, das im März 2021 20 Jahre alt wird.

Gorillaz – „Gorillaz“ (Parlophone)

Damon Albarn hätte sich einfach zurücklehnen können. Der Musiker, Produzent und Songwriter aus London konnte zur Jahrtausendwende auf ein extrem erfolgreiches Jahrzehnt zurückblicken: Seine von ihm angeführte Band Blur zählte zur Speerspitze des Britpop, des kommerziell erfolgreichsten Genres seines Heimatlandes. Albarn hatte genug Hits und Fans, um bis zu seinem Ruhestand Stadien auszuverkaufen. Mit Songs wie „Tender“, „Girls & Boys“, „The Universal“ oder auch „Song 2“ hatte er ausgesorgt. Ihm stand also eine sowohl lukrative als auch komfortable Zukunft bevor.

Doch Damon Albarn lehnte sich nicht zurück. Zum gleichen Zeitpunkt, an dem Blurs ewige Britpop-Konkurrenten Oasis mit ihrem (kommerziell erfolgreichen und von der Kritik verrissenen) vierten Album „Standing On The Shoulders Of Giants“ ihren Status als kreativ bankrotte Stadion-Band zementierten, gründete Albarn eine neue Band – die musikalisch nicht viel weiter vom Britpop entfernt sein konnte. Diese Band hieß Gorillaz. Das selbstbetitelte Debütalbum dieses Projekts wird heute, am 26. März 2021, 20 Jahre alt.

Virtuelle Prophet*innen

Gorillaz eine „Band“ zu nennen, ist richtig und zur selben Zeit völlig falsch. Einerseits besteht diese „Band“ aus dem blauhaarigen Leadsänger 2-D, dem dämonischen Bassisten Murdoc, dem stylishen Drummer Russel Hobbs und der mysteriösen Gitarristin Noodle. Andererseits sind diese Figuren alle frei erfunden, von Albarn und seinem Gorillaz-Kreativpartner, dem Comickünstler Jamie Hewlett. Während die 2001 ebenfalls sehr erfolgreichen Daft Punk ihre Zukunftsmusik unter Roboterhelmen mystifizierten, verbargen sich Albarn und Hewlett hinter vier Zeichentrickfiguren. Die wichtigste „virtuelle Band“ der westlichen Pop-Musik war geboren.

Diese aufwendige Präsentation ist ein erstes Anzeichen dafür, dass Albarn mit seinem neuen Projekt keine halben Sachen machen wollte. Das Konzept war eine Karikatur der stilistisch überzeichneten Musikvideos, die Albarn und Hewlett auf MTV entgegenstrahlten. Diese visuelle Augenwischerei klingt heute, mit ein bisschen zeitlichem Abstand, vielleicht etwas albern. 2-D, Murdoc, Hobbs und Noodle waren nicht nur ein perfektes Gimmick für das Musikvideo-Fernsehen, sondern auch für das frühe Internet-Zeitalter. Doch gewissermaßen hallen diese virtuellen Experimente bis in die Gegenwart nach: Mittlerweile veranstalten Acts wie Lil Nas X, Travis Scott oder Marshmello Konzerte in Online-Videospielen wie Fortnite oder Roblox. Gorillaz’ Avatar-Bandmitglieder wirken da fast ein bisschen prophetisch.

Was jedoch bis heute am stärksten nachhallt, ist die Musik. Die 15 Tracks haben auch 20 Jahre später nichts von ihrer verträumten Strahlkraft verloren. Albarn und Produzent Dan The Automator warfen auf „Gorillaz“ den britischen 60er-Jahre-Pop und US-Indie-Rock, der die letzten 90er-Jahre-Alben von Blur auszeichnete, über Bord – und ersetzten ihn durch elektronische Grooves, Rap-Features und Trip-Hop-Vibes. Die Songs haben Titel, die wie deskriptive Platzhalter klingen („Rehash“, „5/4“, „Punk“, „Double Bass“, „Sound Check“), doch die musikalische Vision ist klar definiert. Im Opener „Rehash“ prallt Akustikgitarren-Geschrammel auf gesamplete Drums. In „5/4“ wird erst ein dem Titel entsprechender ungerader Groove aufgebaut, nur um im Finale in der Verzerrung ertränkt zu werden.

Funky Melancholie

Albarns Stimme klingt dabei so melancholisch wie eh und je – wenn auch nuancierter als zu Blur-Zeiten. In „Tomorrow Comes Today“ gelingt ihm das Kunststück, gleichzeitig todmüde und euphorisiert zu klingen. In „19-2000“ klingt er fast schon funky. Und in „Clint Eastwood“ singt er eine der unwiderstehlichsten Hooklines der Nullerjahre, die sich perfekt mit der charismatischen Wortakrobatik von Gastrapper Del Tha Funkee Homosapien ergänzt.

Apropos Gäste: Im Vergleich zu späteren Gorillaz-Werken wie „Demon Days“ oder „Plastic Beach“ gibt es auf „Gorillaz“ relativ wenige Features. Doch die wenigen Gastauftritte sind allesamt exquisit: Neben seinen ikonischen „Clint-Eastwood“-Strophen erklingt Del Tha Funkee Homosapien auch in „Rock The House“, mit maximaler Lässigkeit. Der Groove von „19-2000“ wurde unter anderem von zwei Talking Heads eingespielt, Tina Weymouth und Chris Frantz. „Latin Simone“ ist einer der letzten Aufnahmen von „Buena-Vista-Social-Club“-Star Ibrahim Ferrer.

Heute, 20 Jahre später, ist Damon Albarn einer der meistbeschäftigsten Künstler. Neben seinen acht Blur-LPs und sieben Gorillaz-Alben kann er auf drei LPs mit seinen Supergroups The Good, The Bad & The Queen und Rocket Juice & The Moon, eine Oper, ein Soloalbum und mehrere Veröffentlichungen mit dem Kollektiv Africa Express zurückblicken. Er ist einer der wenigen Musiker, die sowohl mit jungen Acts wie Vince Staples oder Kali Uchis als auch mit Legenden wie Gil Scott-Heron, Tony Allen oder Bobby Womack zusammenarbeiten konnten. Das ist nicht die Karriere eines sich zurücklehnenden Stadionrockers. Das ist die Laufbahn, die 2001 mit dem Album „Gorillaz“ begann.

Veröffentlichung: 26. März 2001
Label: Parlophone

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