Joe Armon-Jones – „Turn To Clear View“ (Rezension)

Cover des Albums „Turn To Clear View“ von Joe Armon-Jones

Joe Armon-Jones – „Turn To Clear View“ (Brownswood Recordings)

6,7

Die Londoner Jazz-Szene der ausgehenden 2010er ist mit ihrer Genre-Offenheit bei gleichzeitigem Beharren darauf, dass es am Ende „Jazz“ bleibt, eine der großen positiven Überraschungen der vergangenen Jahre. Der Keyboarder Joe Armon-Jones war von Beginn an ein fester und wichtiger Bestandteil dieser in sich mannigfaltig verwobenen Community. Er spielt beim Ezra Collective, mit Binker Golding und Nubya Garcia, wie dort offenbar überhaupt alle auf allen Platten zu spielen scheinen. Dafür ist der Output der Szene erstaunlich divers. Das Solo-Debüt von Armon-Jones, „Starting Today“, wurde 2018 für seine Mischung von Fusion-Jazz, Dub, Soul etc abgefeiert. „Turn To Clear View“ bringt uns jetzt mehr vom Gleichen. Was nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss, aber eben auch nicht wirklich überraschend ist.

Rekonstruktion der Vergangenheit

Die Formel bleibt unverändert. Was beim zweiten Mal aber stärker auffällt ist, dass – bei allen diversen Einflüssen – das Fundament, die ganze Atmosphäre der Platte, doch sehr stark dem 70er-Jahre-Fusion-Jazz verhaftet bleibt. Das hat mal die Eleganz des immer schlauen Jazz-Pops von Steely Dan, mal aber auch die schwitzige Kunstledrigkeit der Yellow Jackets, zu selten die Leichtigkeit von Lalo Schifrin. Wenn man sich so stark mit einer vergangenen Ära identifiziert, wie Armon-Jones es tut, dann muss man mehr tun, um die Soundoberfläche aufzubrechen, die eigene Distanz zum Zitierten deutlich zu machen. Während die besten seiner Londoner KollegInnen mit konventionellen Mitteln etwas Neues, noch nicht Gehörtes schaffen, rekonstruiert er mit aktuellen Mitteln eine sehr spezifische Vergangenheit. Es ist zwar fast jederzeit erkennbar, dass es sich um ein neues Album handelt, aber der Kern der Musik, ihre Essenz, ist der Fusion-Jazz der späten 1970er-Jahre, ein Genre, das schon für sich genommen, sagen wir mal „tückisch“ ist.

Halbwegs interessant wird das Ganze zur Mitte des Albums mit „Icy Roads (Stacked)“ und „(To) Know Where You’re Coming From“, wo aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Musikwelten etwas Neues entsteht. Der Rest ist keinesfalls schlecht, „Turn To Clear View“ ist ein durchaus schönes Album. Nur eben kein sonderlich spannendes.

Veröffentlichung: 20. September 2019
Label: Brownswood Recordings

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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