Konzertbericht: Nicolas Jaar im Berghain, Berlin, am 16. Januar

Nicolas Jaar
(TheArches | Flickr | CC BY 2.0)

„Also 40 Euro würde ich schon zahlen“, sagt der etwas in die Jahre gekommene Herr am Eingang des Berghain in Berlin, während die glücklichen Besitzer einer Karte an ihm vorbei strömen. Das Konzert von Nicolas Jaar ist ausverkauft – der 18. Januar und auch das Zusatzkonzert am 16. Januar.

Im Sommer 2011 hat Jaar noch im Kater Holzig gespielt, für 10 Euro, eher im kleinen Rahmen. Heute ist es das Berghain. Das passt gut, denn sowohl Künstler als auch Location legen Wert auf Understatement. Beide haben etwas eigenes, universelles geschaffen und den Zeitgeist genau erfasst. Plötzlich wusste jeder von ihnen und wollte ihnen nahe sein, und beide reagieren mit Scheu und Untertreibung. Der Erfolg verschwindet hinter Koketterie und doch wurden beide Opfer ihrer eigenen Tricks: Nicolas Jaar ist kein Geheimtipp mehr, das Berghain auch nicht. Aber darum geht es schon lange nicht mehr. Es hilft nichts, dem Hype abzuschwören, aus Prinzip, und damit gleich dem nächsten Trend zu folgen – dem Antihype. Die Diskussion wird mühsam. Nicolas Jaar wurde auf einen Sockel gestellt, aber als Musiker darf er das und er steht dort auch nicht zu Unrecht.

Wer aber um 21.00 Uhr hinter dem aufgeklappten Laptop im Berghain stand, war nicht gleich offensichtlich. Sieht ein bisschen aus wie Nicolas Jaar, hört sich exakt an wie Nicolas Jaar – aber jetzt schon? Und was ist mit diesem Valentin Stipe?

Es spielte tatsächlich erst der bewährte Tourkollege Valentin Stipe, der sich aber musikalisch von Nicolas Jaar nicht abnabeln konnte. Das gleiche Klicken, die gleichen Tempiwechsel, die gleiche musikalische Sphäre. Das ist nicht schlecht, da man zu diesem Konzert ja auch gekommen ist, um genau diese Musik zu hören – aber nicht einen solchen Abklatsch.

Nicolas Jaar selbst war wie üblich sehr wortkarg, begrüßte das Publikum und verabschiedete sich danach höflich. Dazwischen spielte er sich den Erwartungen des Publikums entgegen. Ein ausgedehntes Intro, mit den verschiedenen Elementen seines Debütalbums „Space Is Only Noise“. Er spielte „Into The Night“ von Azari & III und versuchte sich mit seiner neuen EP „Don’t Break My Love“. Diese Stücke sind weniger zugänglich und zusammenhängend, sie klingen experimentell, abgrenzend. Die Gassenhauer „Stay In Love“ wurden verlangsamt und von „With Just One Glance“ mit Scout LaRue wieder aufgefangen. Letztere ist übrigens die Tochter von Bruce Willis und Demi Moore. Der Song greift wieder das gleiche Motiv auf wie schon „Time For Us“, mit eingebautem Klatschen und Jubeln.

Öffnet man beim Konzert die Augen, blickt man in eine eigenartige Masse. Angestrahlt von wenig Licht, wiegen sich Oberkörper von links nach rechts, halb-geöffnete Augen beobachten die Szenerie und schließen sich wohlwollend wieder. Hier ist alles in Ordnung. Alle entfliehen und kommen zusammen, ekstatisch, vom Bass durchgerüttelt, betäubt und in slow motion.

Es funktioniert: Spannung aufbauen, die Gedanken des Publikums wegfliegen sehen, eine Melodie aufkommen lassen, ein wenig Vorhersehbarkeit, ein einfacher Rhythmus und dann – Bass. Das Grundrezept ist einfach, das Geheimrezept beherrscht Nicolas Jaar. Er bedient sich der Zutaten langsamer, kreativer und behutsamer.

„Mi Mujer“, Notorius B.I.G., „What My Last Girl Put Me Trough“ – er ließ den Traumtänzern vor der Bühne kaum Gelegenheit, aufzuwachen. Als letztes Rauschmittel schnipst sich „Winter Rose“ in die Gehörgänge und wummert und dröhnt aus den Boxen der Anlage. „Like a magic light / like a little flame“.

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