Konzertbericht: When Saints Go Machine im Neidklub, Hamburg, am 17. November

When Saints Go MachineWhen Saints Go Machine

„Wasted German Youth“, „Sucht Und Ordnung“ und „Berlin Berlin Berlin“ – Phrasen wie diese zieren an diesem Donnerstagabend die Jutebeutel der Menge. Ihre Träger: Urban-Outfitters-Freunde jeglicher Art. Bekleidet sind sie mit einer Melone, schwarzen transparenten Blusen, weit ausgeschnittenen Hänger-T-Shirts, viel zu engen Hosen und den berüchtigten Nerd-Brillen. Und das sind keine Beschreibungen aus „What Was The Hipster?“, sondern reine Beobachtungen des Publikums von When Saints Go Machine und Azari & III im Hamburger Neidklub.

Viel passiert in dem recht aufgestylten, aber beschaulichen Laden zunächst nicht. Einige frühe Erscheinungen halten sich eher am Rand des Clubs auf und schlürfen in die Leere starrend an ihrem Gin Tonic. Die Elektro-lastige Musik füllt den Raum, man bewegt sich leicht im Takt, schaut gelangweilt, wartet. Und so verstreicht Stunde um Stunde, bis schließlich jeder Winkel mit Genuss-Menschen gefüllt ist. Hübsche, digitale Spiegelreflexkameras (oder deren Vintage/Retro-Vorgänger) wandern durch den Club. Die Leute posen, es blitzt, aus den Boxen tönt ein M83-Remix.

Während sich viele angeregt unterhalten und im Kreis tanzen, werden andere schon ungeduldig. Kein Wunder, wenn allein die Vorband – When Saints Go Machine – gute zweieinhalb Stunden auf sich warten lässt. Erst kurz vor Mitternacht hüpfen die vier Dänen schwunglos auf die Bühne. Von Motivation ist keine Spur.

Sänger Nikolaj Manuel Vonsild schaut betrübt drein, als er seine Position vor dem Mikrofon einnimmt. Der Song „Konkylie“ beginnt mit seinem eigentlich atmosphärischen Klang. Doch dieser wird gar nicht als solcher wahrgenommen, da die Geräuschkulisse des Klubs nur schwer zu durchdringen ist. Das Publikum ist weiterhin redselig und hält auch für die Band nicht einen Moment inne. Man hat fast den Eindruck, es sei respektlos, doch diese Vermutung verfliegt schnell wieder. Beim Einsatz des erschütternden Schlagzeugs tanzen sie alle – und das ist schlimm. Denn der Sound ist miserabel: die Drums donnern und dominieren jeden Song, in dem sie betätigt werden. Die sonst so atmosphärische Klangvielfalt der Lieder schrumpft zu einem leisen Rauschen. Und die markante Stimme Vonsilds kommt überhaupt nicht zur Geltung. Ein großer Reinfall!

Dennoch ziehen When Saints Go Machine ihr Ding durch. Großen Spaß scheint es ihnen aber nicht zu machen. Vonsild singt vielleicht gut, aber man hört ihn ja kaum. Dann tanzt er zwischendurch wie ein Harlekin und hinter ihm stieren seine Bandkollegen lustlos auf ihre Instrumente oder ins Publikum. Nach dem zweiten Lied fragt die Band bereits: „One more song?“ und stellt damit gleichzeitig klar, dass dieses Konzert nicht von großer Dauer sein wird. Ein paar Hits wie „Kelly“ und – dabei darf man jetzt schmunzeln – „Fail Forever“ werden noch gespielt, bis die Tragik dann ein Ende hat.

Für Azari & III ist danach keine Lust und Zeit mehr übrig. Stattdessen setze ich mir lieber zu Hause die Kopfhörer auf und höre in aller Ruhe die „Konkylie“-Platte – ein nach wie vor gutes Studioalbum, nur leider bleibt es auch dabei.

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Diskussionen

2 Comments
  1. posted by
    eglitza
    Nov 21, 2011 Reply

    den gleichen endruck hatte ich in berlin, und tue dieses desinteresse als attitude ab. Wärest du noch für Azari & III geblieben, hätten sie dir den Abend gerettet. Das Konzert war der Burner! ich sage nur: Vogue!

  2. posted by
    Konzertbericht: When Saints Go Machine im Neidklub, Hamburg, am 17. November
    Nov 23, 2011 Reply

    […] Ihre Träger: Urban-Outfitters-Freunde jeglicher Art. Bekleidet sind sie mit einer Melone, schwarzen transparenten Blusen, weit ausgeschnittenen Hänger-T-Shirts, viel zu engen Hosen und den berüchtigten Nerd-Brillen. Und das sind keine Beschreibungen … Mehr lesen ByteFM Magazin […]

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