Mac Miller – „Circles“ (Rezension)

Cover des Albums „Circles“ von Mac Miller

Mac Miller – „Circles“ (Warner)

7,9

35 Sekunden sinniert eine Gitarre leise vor sich hin, bis es zum ersten Einschlag kommt: „Well, this is what it look like, right before you fall.“ Erstmal schlucken. Ob wir emotional bereit sind oder nicht, da ist es nun: „Circles“. Noch einmal knapp 50 Minuten eintauchen in das tiefe Gedankenmeer von Mac Miller. Das Geschwister-Album zu „Swimming“ (2018), seiner letzten zu Lebzeiten veröffentlichten LP, hinterlässt den Künstler im Kreis schwimmend: „And I cannot be changed, I cannot be changed, no / Trust me, I’ve tried / I just end up right at the start of the line / Drawin‘ circles.“

Während Millers Zeilen sich wie Resignation lesen, singt er sie nicht als Lamento. Es ist seine außergewöhnliche Fähigkeit, in jeder Träne einen Hoffnungsschimmer aufflackern zu lassen. In „Circles“ gar nur zwei Zeilen später: „We’re doing well, sittin‘, watchin‘ the world fallin‘ down, its decline / And I can keep you safe, I can keep you safe / Do not be afraid.“ Kein anderer Song zeichnet Mac Millers persönliches Dilemma mit so kräftigem Strich. Mit ihm das Album zu eröffnen, kann als theatralisches Kalkül empfunden werden. Eine ganz besondere Kraft wohnt aber nur diesem sanften Song inne: Viele werden sich in Jahren womöglich noch daran erinnern, wo sie in dem Moment waren oder was sie gefühlt haben, als „Circles“ zum ersten Mal durch die Ohrmuschel seufzte.

Eine schöne Schwere

2015 rappte Mac Miller in „The Festival“: „I don’t know who I am / I’m so good at doing impressions though.“ Dabei liegt die Qualität, die seine Musik so intensiv macht, in der Antithese zu dieser Zeile. Mac Miller war ein Mensch „on tape“. Auf der Suche nach Antworten, vor allem über sich selbst: „So tired of being so tired / Why I gotta build something beautiful just to go set it on fire?“, fragt Miller in der Vorab-Single „Good News“. Auf „Complications“ bittet er um eine Pause von sich selbst: „’Fore I start to think about the future / First, can I please get through a day?“ Und in „Woods“ lautet die Frage: Sind wir je genug? „Nobody makes you feel like you but do I? / And you don’t know what you should do / You just lookin‘ for someone to make you move, ooh, tell me do I?“

Aber „Circles“ bricht das Herz nicht, weil es sich immer wieder aufrichtet. Dafür pflanzt es ein paradoxes Gefühl in den Brustkorb: eine schöne Schwere. Von ihr zehrt das Album – nicht von der Produktion. Mac Miller füllt die leeren Räume der oft minimalistischen Instrumentierung mit einer melancholischen Spannung. Produzent Jon Brion hinterließ die Songs zwar nicht als Rudiment, aber wollte möglichst wenig andere Einflüsse reinbringen. Das lässt die musikalischen Hautschichten ein bisschen dünn wirken.

Mac Miller hat seine Stimme gefunden

Stilistisch setzt das Album noch konsequenter fort, was der Vorgänger mit Songs wie „Come Back To Earth“ und „Small Worlds“ schon andeutete. Klassische Rap-Parts fehlen fast komplett. Harmonien aus R&B und Neo-Soul taumeln Millers Gesang entgegen. Ansonsten zieht ein kleiner Schwaden von Beat-Pop durch die LP. Einzig „Blue World“ fällt musikalisch aus der Reihe. Guy Lawrence vom House-Duo Disclosure bohnert mit einem funky Two-Step den leichtesten Song des Albums unter die Rollschuhe und zeigt nebenbei, wie Drums klingen sollten. Brion und die anderen Co-Produzenten werfen klanglich leider oft einen Sack Legosteine an die Wand. Wirklich fies ist es in „Hands“, dem einzigen Aussetzer des Albums. Sauber arrangiert sind die Percussions zwar. Und der Drumcomputer mit den alten Roland-Samples ist bestimmt ein echtes Schmuckstück, aber man hätte ihn lieber in eine Vitrine gesteckt als an die Steckdose.

Doch es geht gar nicht darum, ob das Album musikalisch irgendetwas beweist. Es geht bei posthumen Veröffentlichungen immer auch um die Frage: Hätten wir dieses Album gebraucht? Ja, unbedingt! „Circles“ fügt Mac Millers Schaffen eine neue Facette hinzu, die sonst verborgen geblieben wäre. Es zeigt den (ehemaligen) Rapper, wie er endlich zu seiner Stimme gefunden hat. Völlig unerheblich, ob die ein oder andere Gesangsmelodie nicht den Notentest besteht. Wer makellosen Gesang möchte, kann in die Oper gehen, aber Mac Miller singt nicht für die Show. Es ist die aufrichtige Art seine Gefühle auf das Tonband zu bannen. Faszinierend, weil er ohne typische Rap-Strophen und dadurch mit weniger Worten noch mehr sagt. Diese Fähigkeit ist die letzte Gravur auf seinem Werk, das ihn als einen der gefühlvollsten Songwriter seiner Generation verewigt.

Der Kreis bricht letztlich an dem Punkt ab, den Miller wohl einmal zu oft erreicht hat. So heißt es in „Once A Day“: „Once a day, I rise / Once a day, I fall asleep with you / Once a day, I try, but I can’t find a single word.“ Mit dem letzten Ton hinterlässt „Circles“ den Raum leer gefegt. Oder es fängt wieder von vorne an.

Veröffentlichung: 17. Januar 2020
Label: Warner

Bild mit Text: Förderveein „Freun
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