Melt! Festival 2011 – ein Nachbericht

©Matthes Köppinghoff
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Für mich begann das Melt! Festival 2011 schon Monate zuvor. Ich, meines Zeichens leidenschaftlicher Britpop-Fan, sah im Internet folgende Meldung: „Pulp spielen ihr einziges Konzert in Deutschland…“. Mensch, dachte ich mir, Pulp stehen auf meiner To-See-Liste ganz weit oben, und auf dem Melt! war ich auch noch nicht. Umso glücklicher war ich dann, als ich tatsächlich eine Zusage für das Festival in Gräfenhaininchen bekam. Auch wenn ich nicht wusste, wo dieser kleine Ort lag, machte ich mich am Donnerstag vor dem Festival auf die Reise. In freudiger Erwartung, natürlich. Allerdings, leider leider, nicht in meinem heißgeliebtem Britpop-Mini, sondern in einer nicht wirklich standesgemäßen Leihkarre. Selber schuld, wenn der Mini mal wieder in der Werkstatt steht, dachte ich mir, und fuhr los.

Gräfenhaininchen ist ein Dorf in Sachsen-Anhalt, mit knapp 13.000 Einwohnern. Dennoch, wenn das Melt! ein Mal im Jahr stattfindet, kommen 20.000 Besucher – aus knapp 30 Nationen; ein Drittel der Gäste stammt aus dem Ausland, wie ich später erfuhr. Als ich das Areal erreiche, höre ich auch tatsächlich viele englischsprachige Menschen um mich herum, auch die Niederlande scheinen zahlreich vertreten.

Den Leihwagen geparkt, Pressepass abgeholt, Zelt aufgebaut – ab zum Festivalgelände. Schon von weitem sieht man die Braunkohlebagger, die dem Melt! seinen Ruf einer einmaligen Kulisse verleihen. Auf dem Gelände an sich fühle ich mich sehr vertraut – schließlich komme ich gebürtig aus der Nähe von Duisburg, da ist man solche riesigen Metallmonster gewohnt. Nur dort sieht man selten vorzügliche Bands spielen.

©Matthes Köppinghoff
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Abends besuchte ich die „Pre-Party“; dort gab es von Audiolith ein tolles DJ-Set, außerdem traten die Mediengruppe Telekommander auf – immerhin eines ihrer letzten Konzerte. Anschließend konnte man noch auf dem Zeltplatz feiern – oder wie in meinem Fall todmüde ins Zelt fallen.

Am Freitag ging das Festival dann richtig los: Im Vorfeld hatte ich mir eine Liste gemacht und sah sofort, dass das Wochenende hart werden würde. So many acts, so little time. Aber ich ging frohen Mutes an die Sache ran. Markus Kavka hatte die Ehre, durfte mit einem DJ-Set anfangen. Um 15 Uhr legte er leider vor einem enorm kleinen Publikum auf. Aber die Mühen Kavkas, dessen Set wirklich gut ist, lohnten sich am Ende doch – nach und nach kommen und tanzen immer mehr zu Kavkas Sound.

We Have Band war dann der erste halbwegs große Act: Vor der Hauptbühne war auch schon recht viel los, in Anbetracht der für die Festivalgäste frühen Uhrzeit 17:30. Eine gute solide Show. Weiter ging’s zu The Sound Of Arrows. Die hatten mir schon beim Soundcheck gut gefallen – und jetzt beim Gig passt ihr Synthie-Sound zu den dunklen Wolken über dem Melt. Irgendwie wurden die immer dunkler, letzten Endes wurden wir alle aber vom Regen verschont.

Der nächste Act auf der „Gemini Stage“ waren When Saints Go Machine. Ihre Platte mochte ich schon, war gespannt darauf, wie der doch recht spezielle Gesang des Sängers ankommen würde. Und wirklich: Die Band und vor allem der Sänger, die haben es drauf.

Am Anschluss ging’s zum Strand – so was gibt’s auch auf dem Melt!, stellte ich fest. Jamie Woon spielte. Lange blieb ich jedoch nicht, irgendwie war mir mehr nach Krach, ich ging zur Hauptbühne – hier erlebte ich noch die letzten Minuten der Swans. Krach, geht doch.

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Danach gab’s für mich ein bisschen Naked And Famous, wenig später Foster The People dann The Drums. Ein straffes Programm; jede Band war potentiell interessant, aber wie bei jedem Festival stand schnell fest: Alle kann man leider nicht angucken. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es dann zu Robyn. Eine klasse Show; für mich ist sie die nicht ganz so böse Ausgabe von Lady Gaga. Für das Publikum jedenfalls war sie einer der Höhepunkte des Tages. Es reihte sich Hit an Hit an Hit. Allmählich wurde es kalt, meine Füße taten schon länger weh. Paul Kalkbrenner schaute ich mir dann noch an (er sieht Phil Collins verblüffend ähnlich), danach machte ich mich aber doch auf zum Campingplatz, wie die meisten der anderen Zuschauer auch.

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Als ich am nächsten Morgen in meinem Zelt aufwachte, war mir warm. Sogar irrsinnig heiß. Auf dem Weg zur Dusche bestätigte sich mein Verdacht: SONNE! Es wurde ordentlich heiß. Schnell geduscht und aufgehübscht, dann die To-Do-Liste des Tages erstellt: Andreas Dorau, Monarchy, Patrick Wolf, The Hundreds In The Hands, Beady Eye, The Streets, Editors, DAF, Metronomy, Digitalism. Hui, ganz schön langer Zettel. DAF verpasste ich leider, bei den meisten anderen Bands und Acts schaffte ich es, immerhin ein paar Minuten vom Konzert zu sehen. Die Highlights des Tages: The Streets mit einem ihrer allerletzten Konzerte, und Digitalism. Als ich bei denen im Fotograben stand, warf mich der Bass fast um. Tolles Gefühl, super Sound, aber nicht ganz so gut für das Gehör. Spaß machte es aber allemal. Und schon wieder war es halb vier, als ich in mein Zelt fiel.

Sonntag. Sehr früh wachte ich auf. Pulp-Tag! Duschen, Zelt zusammen gepackt, Auto prophylaktisch strategisch gut geparkt, um nach dem Konzert recht flott wieder nach Hamburg zu kommen. Als ich anschließend das Festival-Gelände erreichte, fing es so langsam, aber sicher an zu regnen. Typisch britisches Wetter? Kaum gedacht, schon regnete es stärker.

Die Zeit bis zur Stunde X verbrachte ich damit, mir ein paar Konzerte anzuschauen: Ein wenig José González, ein bisschen Katy B, die Cold War Kids… so richtig konnte ich die Konzerte nicht mehr genießen, da ich kaum noch stehen konnte. Vier Tage Festival, sowas schlaucht dann doch irgendwann. Der Regen indes ließ nicht nach: Spätestens im Fotograben bei den White Lies merkte ich, wie meine Lederjacke so langsam durchweichte und das Wasser in meinen Schuhen schwappte. Ich rettete mich für kurze Zeit zu Bodi Bill (die spielten im Zelt der Gemini Stage), dort war es trocken. Und Bodi Bill natürlich auch super.

Doch wie bereits zu Anfang erläutert: Ich war hier, um eine tolle Show von Pulp zu sehen. Deswegen stellte ich mich lange vor Konzertbeginn in den strömenden Regen, um auch ja schöne Fotos von Jarvis Cocker und Co. mit nach Hause bringen zu können. Es vergingen eine Schachtel Zigaretten und mindestens 20 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, bis den Fotografen und somit auch mir Einlass in den Fotograben vor der Hauptbühne gewährt wird. Das Konzert startete mit einer sehr unterhaltsamen Lasershow, die mit dem Schriftzug „Do You Remember The First Time?“ endete; einem der Hits aus den Neunzigern von Pulp. Eben jenes Credo war Motto der kleinen Reunion-Tour, die Pulp angekündigt hatten. Nach der Lasershow fiel dann endlich ein Vorhang – und Pulp spielten den Song, endlich. Das Publikum jubelte, während ich mir Mühe gab a) irgendwas zu sehen, da sowohl Wasser auf meiner Brille, in meinen Augen und an meiner Kamera war b) nicht zu stark zu Zittern wegen der Kälte und damit wacklige Bilder zu vermeiden c) die Show zu genießen, die Aura des Zampanos Jarvis Cocker einzufangen.

Irgendwann musste ich dann schweren Herzens den Fotograben wieder verlassen, jetzt konnte ich mir das Konzert in Ruhe anschauen. Und ich wurde nicht enttäuscht: Die Band war in Bestform, die Bühnenshow grandios – und Jarvis Cocker einfach unglaublich genial. Der charismatische Frontmann hatte nichts verlernt und war guter Dinge. Nur einmal wirkte er ein wenig aufgebracht – irgendetwas stimmte mit seinem Mikrofon nicht, er bekam wohl einen kleinen elektrischen Schlag. Jarvis pfiff einen Roadie zusammen und erklärte dem Publikum: „I’m feeling a little bit dazzed. Is that healthy?“ Solche Momente trübten die Stimmung nicht, es gab sowohl die großen alten Hits wie „Disco 2000“ bei der die Masse feierte, aber auch sehr intime Momente wie bei „This Is Hardcore“. Zum Abschluss wurde dann gemeinsam „Common People“ gegröhlt.

Nach dem Konzert war für mich und viele andere auch das Melt! 2011 vorbei. Auf dem Weg zum Parkplatz konnte ich noch einen Blick auf die großen Bagger werfen, die vergangenen Tage noch mal im Kopf durchspielen. Ja, ich bin zufrieden mit dem Melt!. Ein sehr sympathisches Festival, eine tolle Kulisse, viele tolle Bands, und eben nicht nur Pulp. Neben den Erinnerungen bleibt ein Muskelkater – aber der wird auch wieder vergehen, und sowas kann man ja ein Mal im Jahr verkraften.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    tartex
    Jul 19, 2011 Reply

    Im Vergleich zum grandiosen Primavera-Gig war der Pulp-Auftritt beim Melt aber schwach. Das lag vor allem am Publikum.

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