Mildlife – „Automatic“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Automatic“ von Mildlife, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Mildlife – „Automatic“ (Heavenly Recordings)

Wer schon einmal ein, zwei Folgen der BBC-Adaption „Sherlock“ gesehen hat, kennt das Konzept des „Memory Palace“, des „Gedächtnispalasts“: Ein im eigenen Kopf erdachter Raum, in dem der Meisterdetektiv unzählige Details kognitiv verstaut, von der Augenfarbe eines Mordopfers bis zur winzigen Schürfwunde am Fußgelenk seines Gärtners. Nicht nur eine extrem umfangreiche Denkstütze, sondern ein mental begehbarer Ort, in dem die komplette wahrgenommene Vergangenheit aufbewahrt wurde.

Hätten die Mitglieder von Mildlife solch einen Gedächtnispalast, dann könnte man sich gut vorstellen, was der alles beinhalten würde. Wahrscheinlich eine Menge Live-Videos. Tausend Mal angeseschaute Auftritte von Bands wie Can oder Chic. Die Musik des australischen Quartetts ist ein dicht verwobenes Netz aus Referenzen. Man merkt ihnen an, dass sie die Grooves von Holger Czukay oder Bernard Edwards akribisch studiert haben. Passenderweise heißt ein Song auf ihrem nun erscheinenden zweiten Album „Memory Palace“.

Grooven im Gedächtnispalast

Doch Mildlife sind keine stumpfen Copycats. „Automatic“ ist das Produkt von liebevoller Aneignung und schlauer Dekonstruktion: Vier Menschen, die den Krautrock und die Disco der 70er vorsichtig auseinandernehmen und zu wunderbar seltsamer, unfassbar tanzbarer Musik wieder zusammenfügen.

In „Vapour“ flirren Disco-Querflöten über einen tight eingespielten Four-To-The-Floor-Beat, der an die Rhythmus-Arbeit von Jaki Liebezeit erinnert. Im Titeltrack sperrte die Band den Funk-vernarrten Herbie Hancock der „Headhunters“-Ära in ein klaustrophobisches, kaltes Kraftwerk-Studio ein. Der erwähnte „Memory Palace“ ist ein unheiliger Hybrid aus Jazz-Fusion und frühem House. Was dieser Band an Originalität fehlt, macht sie mit purer Spielfreude wett. Es macht einfach tierisch Spaß, mit ihnen ihren Gedächtnispalast zu erkunden.

Veröffentlichung: 18. September 2020
Label: Heavenly Recordings

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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