Most Overlooked in 2018 – diese Alben verdienen Eure Aufmerksamkeit

Collage aus den Geheimtipps 2018

Bei der Unmenge an Alben-Veröffentlichungen im Jahr 2018 kann man schon mal den Überblick verlieren …

Bei all der neuen Musik, die jedes Jahr erscheint, ist es schwierig, alles mitzubekommen. Über die Hälfte des Jahres 2018 ist bereits vorüber und unsere bisher meistgespielten Platten haben wir Euch schon verraten. Doch es gibt da noch ein paar andere Alben, die in den vergangenen Monaten nicht ganz die Wertschätzung bekommen haben, die sie unserer Meinung nach verdienen. Darum hier und heute: unsere 15 Geheimtipps der ersten Jahreshälfte und in welchen ByteFM Sendungen Ihr in unserem Archiv mehr dazu hören könnt.

Acht Eimer Hühnerherzen – „Acht Eimer Hühnerherzen“

Dass eine der erfrischendsten Punk-Platten des Jahres auf Klassikgitarre und Akustik-Bass eingezockt wurde, hätte wohl niemand ahnen können. Acht Eimer Hühnerherzen wahrscheinlich auch nicht: Durch ihr selbstbetiteltes Debüt zieht sich nicht nur rotzige Lebensfreude, sondern auch eine angenehme Bescheidenheit. Das Berliner Trio singt und schrammelt nicht über den Systemsturz, sondern über Urlaub in Eisenhüttenstadt und das Mittelmaß an sich. Mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit und ihren unwiderstehlichen Refrains muss man sie einfach direkt in sein Hühnerherz schließen. Zu hören gab es Musik von Acht Eimer Hühnerherzen in der Sendung Anstoß vom 28. Februar 2018, sowie von unseren Punk-Experten Timo Drechsler und Torsten Fiebig, die die Band am 27. Februar 2018 in ihrer Sendung 80Prozent vorgestellt haben.

Auf – „Getimed“

Was zwei nur mit Gitarre und Schlagzeug ausgestattete Menschen so alles anrichten können, demonstrieren Auf eindrucksvoll mit ihrem Debüt „Getimed“. Das Berliner Duo präsentiert seinen ganz eigenen Rockmusik-Entwurf, zusammengesetzt aus der Verletzlichkeit des frühen Emo und dem Noise von Sonic Youth. Wo letztere aber mindestens zwei Gitarren für ihre Wall of Sound brauchten, schüttelt Sängerin und Gitarristin Anne Rolfs ihre Lärmkaskaden alleine aus dem Ärmel, begleitet von ihrer wunderbar heiseren Stimme.

Caroline Says – „No Fool Like An Old Fool“

Alter schützt vor Torheit nicht, behauptet Caroline Sallee mit dem sinnbildlich übersetzten Titel ihres zweiten Albums. Auf „No Fool Like An Old Fool“ verknüpft die Singer-Songwriterin aus Alabama, die ihre Musik unter dem Namen Caroline Says veröffentlicht, alte Weisheiten mit neuen Tugenden. Die Grundlage ihres Sounds ist psychedelischer Folk, wie ihn George Harrison oder Syd Barrett in den späten 1960er-Jahre spielten. Sallee untergräbt diese angestaubten Klänge mit windschiefen Drumloops, Girlgroup-Harmonien und in einem besonders aufregenden Fall sogar mit leichten Breakbeat-Anleihen („Rip Off“). Hier wird nicht nostalgisch auf der Stelle getreten, hier wird die Zukunft des Folk erkundet. Auch unsere Alice Peters-Burns ist Fan dieser zarten Verhuschtheit – nachzuhören in ihrer Sendung Kaleidoskop vom 9. April 2018.

Dabrye – „Three / Three“

17 Jahre ist es her, dass Tadd Mullinix unter dem Namen Dabrye sein Album „One / Tree“ veröffentlicht. Auf dieser Platte erkundete der Künstler aus Michigan mit IDM, Glitch und Electronica die kreativen Möglichkeiten des HipHop. Das Sequel „Two / Three“ erschien 2006, erst zwölf weitere Jahre später folgte mit „Three / Three“ das logische Ende dieser Trilogie. Und das Warten hat sich gelohnt: Mullinix ist auch im Jahr 2018 ein Meister des bewusstseinserweiternden HipHop-Instrumentals. Aus Industrial-Samples, blubbernden Synthesizern und Oldschool-Drumcomputern bastelt er Beats, die sowohl tief in der Tradition des Genres verwurzelt sind als auch wie nicht von dieser Welt erscheinen. Zusammen mit Gastrappern wie MF Doom und Ghostface Killah ergibt das eine der bisher besten HipHop-Platten des Jahres, die auch Sebastian Hampf am 9. März 2018 in seiner Sendung The Good Nightz gewürdigt hat.

John Moods – „The Essential John Moods“

Sein erstes Album „The Essential John Moods“ zu nennen, ist auf jeden Fall ein Statement. Die Essenz seines Schaffens, die Fenster-Mitglied Jonathan Jarzyna hier auf seinem Solo-Debüt demonstriert, ist aber durchaus einer solchen Aussage würdig. Seine psychedelisch verwaschenen Songs sind genauso warm und sonnig wie die Landschaft, in der sie aufgenommen wurden: Der Großteil dieses Albums wurde von Jarzyna an der spanischen Mittelmeerküste auf seinem Telefon aufgenommen. Ein unbeschwertes Stück Indie-Pop, dessen wundervolle Refrains einen wie sanfte Wellen am Strand überspülen und über dessen Entstehungsgeschichte er persönlich am 11. Juli im ByteFM Magazin berichtet hat.

Kadhja Bonet – „Childqueen“

„Every morning brings a chance to be new“ ist nicht nur die Zeile, die das zweite Album von Kadhja Bonet eröffnet, sondern funktioniert auch fantastisch als Mantra hinter dieser Platte. Auf „Childqueen“ lässt die US-amerikanische Sängerin, Gitarristin und Violinistin ihrer übersprudelnden Kreativität freien Lauf. Mit Streichern versetzter R&B, Funk in Zeitlupe, von Querflöten umgarnter Psychedelic-Pop: Jeder Song wirkt wie eine Neugeburt. Bonets gehauchter Gesang ist dabei der Klebstoff, der diesen abenteuerlichen Stilmix zusammenhält. Nicht zuletzt durch ihre klassische Ausbildung an der Geige und Bratsche war die Künstlerin am 8. Juli 2018 Thema bei Juliane Reil in ByteFM Klassik.

Kali Uchis – „Isolation“

Wenn es um die pure Euphorie geht, die ein perfekter Pop-Song in einem auslösen kann, gibt es vielleicht kein besseres Album dieses Jahr als „Isolation“. Das Debüt der kolumbianisch-US-amerikanischen Singer-Songwriterin Kali Uchis ist ein meisterhafter Cocktail aus R&B und Neo-Soul, garniert mit einigen Prisen Reggaeton und Bossa Nova. Hier stimmt so ziemlich alles: Die Hooks, die tighte, lebendige Produktion, die Gästeliste (unter anderem Tyler, The Creator, Thundercat, Damon Albarn, Badbadnotgood und The-Internet-Wunderkind Steve Lacy) – und über allem thront Uchis butterweiche Stimme. Das Songs wie „After The Storm“ oder „Miami“ nicht die Hits des Sommers sind, grenzt an ein Verbrechen. Im ByteFM Team haben einige ModeratorInnen das Potential der Künstlerin bereits sehr früh erkannt, so etwa Benjamin Löhner, Vanessa Wohlrath und Alexandra Friedrich, die Uchi in ihren Sendungen gefeatured haben. Nachzuhören bei Beat Repeat vom 20. April, Hertzflimmern vom 27. April und In Takt vom 4. Mai 2018.

Mount Eerie – „Now Only“

Phil Elverum weiß, was Trauma ist. „A Crow Looked At Me“, das letzte Album des US-amerikanischen LoFi-Folk-Künstlers, war ein in seiner Traurigkeit kaum erträglicher Abschied von seiner verstorbenen Ehefrau. Dieses Ereignis definiert auch den Nachfolger „Now Only“, aber auf andere Art und Weise: Im elf Minuten umspannenden „Distortion“ lässt Elverum sein ganzes Leben an sich vorbeiziehen, während er in „Tintin In Tibet“ die surreale Erfahrung beschreibt, diese höchst intimen Songs auf Welttournee aufzuführen. Wenn es darum geht, große Trauer in große Kunst zu verwandeln, ist Elverum immer noch eine Klasse für sich. „Now Only“ wird wahrscheinlich, wie „A Crow Looked At Me“ schon 2017, eins der heimlichen Highlights des Jahres.

Noseholes – „Danger Dance“

„The dog is a barking shit machine and you are an ex driver, ex taxi wanker“ – niemand verstand es dieses Jahr, so poetisch Schimpfwörter aneinander zu reihen wie Noseholes. Mit dem Swagger eines Mark E. Smith und der Aggression von Crass erzählt ZooSea Cide, die Sängerin der Hamburger No-Wave-Band, Geschichten von stinkenden Im-Bett-Rauchern, verzweifelten Ex-Taxi-Fahrern und der alltäglichen Großstadt-Paranoia. Die Band tanzt dazu mit aufgekratztem Post-Punk und free-jazzigen Trompetensoli den „Danger Dance“. Wie das genau geht, haben zwei Bandmitglieder Ruben Jonas Schnell verraten, der sie am 15. März in seinem Zimmer 4 36 zu Gast hatte.

Organ Tapes – „Into One Name“

Auf seinem zweiten Album unter dem Namen Organ Tapes trägt der Londoner Künstler Tim Zha Autotune so dick auf, dass die Stimme wie ein Fremdkörper durch seine dicht verwobenen Klangflächen wabert. Das ist aber kein schwaches Pop-Gimmick, sondern eine ganz bewusste Entscheidung: „Into One Name“ ist Musik über Einsamkeit, über das Gefühl, um 6 Uhr morgens neben dem Dancefloor zu stehen und sich plötzlich wie der einzige Mensch auf dem Planeten zu fühlen. Zha lässt seine entfremdete Stimme über verhallte Quasi-Dancehall-Beats gleiten und klingt dabei wie eine Karikatur von R&B-Weltstar Drake. Was Organ Tapes mit Trance-Riffs und Schneekugeln verbindet, hat Christoph Möller am 9. Januar 2018 in seiner Sendung Popschutz erläutert.

Palmbomen II – „Memories Of Cindy“

Wenn David Lynch und Angelo Badalamenti eine alte Lagerhalle in Detroit besetzen und dort Raves veranstalten würden, klänge die dort gespielte Musik so wie die Tracks von Palmbomen II. Die 22 Songs, die der niederländische Produzent Kai Hugo unter diesem Namen auf seiner zweiten Platte „Memories Of Cindy“ versammelt hat, sind gleichermaßen von pulsierenden House-Beats wie von sepiafarbenem 60er-Jahre-Kitsch und nostalgischen Exotica-Sounds durchzogen. Ein auf beste Art und Weise unheimliches Album, voll von seltsamen Sounds, die sich tief im Unterbewusstsein einnisten.

Patrick Paige II – „Letters Of Irrelevance“

Wie alle Mitglieder der Funk‘n‘Soul-Schwarmintelligenz The Internet ist auch Bassist Patrick Paige II als Solokünstler aktiv. „Letters Of Irrelevance“ ist sein erstes Album unter eigenem Namen. Über jazzige Boombap-Beats zeigt Paige sich als überraschend vielseitiger MC, der sowohl charismatischen Swagger („The Best Policy“) als auch nachdenkliche Zeilen („The Last Letter“) beherrscht. Auch einige extrem mellow R&B-Nummern haben es auf die Platte geschafft, doch im Vergleich zur letzten The-Internet-Platte „Hive Mind“ wirkt auf „Letters Of Irrelevance“ alles wie aus einem Guss.

Saba – „Care For Me“

Im Jahr 2018 ist Emo-Rap eines der populärsten Genres. Dass Emotionalität und HipHop auch ohne Trap-Beats und Soundcloud-Hype funktionieren kann, beweist Saba. Mit „Care For Me“ hat der Musiker aus Chicago, der zuerst als Feature-Gast auf Chance The Rappers Durchbruchsmixtape „Acid Rap“ auf der Bildfläche der HipHop-Blogosphäre erschien, die möglicherweise berührendste HipHop-Platte des Jahres herausgebracht. Auf den zehn Tracks seines zweiten Studioalbums setzt er sich auf gleichermaßen poetische wie wütende Art und Weise mit dem gewaltsamen Tod seines Cousins auseinander. Mal spuckt Saba verzweifelt seine Silben aus, mal werden sie sanft und introspektiv gemurmelt. Begleitet wird er von einigen der weichsten Jazz-Rap-Beats, die man bisher dieses Jahr hören konnte und die auch unserem HipHop-Fachmann Benjamin Löhner nicht entgangen sind – nachzuhören in seiner Sendung Beat Repeat vom 20. April 2018. Auch Diviam Hoffmann hat Sabas „Care For Me“ zum Anlass genommen, nach der musikalischen Selbst- und Fremdpflege zu suchen – in Ein Topf aus Gold vom 15. Mai 2018.

Teyana Taylor – „K.T.S.E.“

Als Kanye West Mitte des Jahres verkündete, fünf von ihm produzierte Alben in fünf Wochen zu veröffentlichen, konnte man einiges nicht ahnen. Zum Beispiel, dass einer der einflussreichsten Rapper und Produzenten dieser Tage in den sozialen Medien zu einer derartigen Parodie seiner selbst verkommt. Oder auch, dass die beste der fünf Platten nicht etwa die von Nas, Pusha T, Kid Cudi oder West persönlich, sondern von der im Vergleich zu den anderen Akteuren relativ unbekannten Teyana Taylor stammen würde. Im Rahmen der fünf von West in Wyoming zusammengezimmerten Langspieler war „K.T.S.E.“, ein Akronym für „Keep The Same Energy“, nicht nur das einzige Album einer Künstlerin, sondern hatte auch die undankbare letzte Position. Taylors kraftvoller R&B-Gesang ergänzt sich perfekt mit den warmen Oldschool-Beats, die West hier (nach eigener Aussage nur wenige Tage vor dem Release) aus dem Hut zauberte. „K.T.S.E.“ zeigt sie als wandlungsfähige Künstlerin, die einen als ihr Herz ausschüttende Croonerin („Manners“, „Rose In Harlem“), aber auch als selbstbewusste House-Queen („W.T.P.“) in den Bann zieht. Der Künstlerin verfallen ist auch Verstärker-CEO Dirk Böhme, der das Album in seiner Sendung am 27. Juni 2018 vorgestellt hat.

Tierra Whack – „Whack World“

Dass eines der bisher besten Musikvideos des Jahres auch eines der bisher besten Alben des Jahres sein kann, sieht man selten. Tierra Whack beweist, dass es geht. Schaut man auf die Tracklist von „Whack World“, dem Debüt der 22-jährigen Rap- und R&B-Newcomerin aus Atlanta, merkt man schnell, dass hier irgendetwas seltsam ist: Die 15 Tracks sind allesamt nur exakt eine Minute lang. Zusammen mit dem ebenfalls fünfzehnminütigen Musikvideo entsteht ein audiovisuelles Gesamterk, das gleichzeitig Augen und Ohren hypnotisiert. Die Welt der Tierra Whack ist faszinierend: Im Minutentakt wechselt sie von kristallklaren Neo-R&B zu blitzschnellem Mumble-Rap – um nur wenige Sekunden später bei irrwitzigem Motown-Doo-Wop zu landen. „Whack World“, ein einzigartiges Kunstwerk, das am 26. Juli auch Thema in der Sendung Zimmer 4 36 war.

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