Belle And Sebastian – „Girls In Peacetime Want To Dance“ (Matador)
5,3
Och nö. Jetzt bin ich wirklich genervt. Beim achten von zehn Songs haben Belle And Sebastian es geschafft, meine letzte Euphorie über ihr neues Album „Girls In Peacetime Want To Dance“ („GIPWTD“) zunichtezumachen. Dabei sollte das doch eigentlich alles anders anmuten.
Bereits vor Wochen waren erste Songs vom neuen Album durch die Sphären geflogen. Erste Eindrücke zur aktuellen Entwicklung Belle And Sebastians ließen Furchtbares erahnen: Poppiger 90er-Jahre-Elektrodance kündigte sich da an. Sollten die Heroen des Twee-Pop tatsächlich zu neuen Ufern aufbrechen? Sollten die seichten Töne und der hallende Gesang wirklich einem nervösen Elektro-Einerlei weichen? Was sagt das über die Musikwelt aus? Wie kann ich meiner Liebe zu Flockenpop nun gerecht werden?
Entsprechend laut war der „Plumps“ des mir vom Herzen fallenden Steins, als ich mir „GIPWTD“ auf die Ohren schaltete. Der erste Song „Nobody’s Empire“ – ein klassischer Belle And Sebastian. Einfach gestrickt, klare Strukturen, halliger Gesang, keine Überraschungen, keine Experimente, poppig bis zum Erbrechen – perfekt! Genau so, wie man die britische Kombo kennt und liebt. Wenn das so weitergeht, dann werden das 51 Minuten voll leicht verdaulichem Konsenspop, mit Hang zu Fahrstuhlmusik. Das wäre gar nicht schlimm. Im Gegenteil! Das wäre genau das, was Belle And Sebastian in Perfektion umsetzen, was ihren Sound ausmacht, was Spaß bringt und das gelangweilte Herz hüpfen lässt.
Und dann kam er, dieser dumpfe Beat, mit dem die Vorabsingle „The Party Line“ beginnt, dieser unheilvolle Sound, der hoffentlich nur eine kurze Irritation ist, der bestimmt nur einen Song begleitet und den Rest des Albums nicht mehr auftaucht. Aber nein, „The Party Line“ macht mit seinem ordinären 90er-Jahre-Modern-Talking-esken Dancebeat deutlich, wo die Reise hingeht: ins Chaos. „Girls In Peacetime Want To Dance“ will plötzlich alles – Europop, Elektro, Polka, Pop. Das klingt anstrengend, das klingt verloren, das klingt irgendwie nach verirrtem Weg.
Ist dies das Album, bei dem Belle And Sebastian gemerkt haben, dass sie älter geworden sind? Dass sie nicht mehr der Jugend angehören, nicht mal mehr dann, wenn man den Begriff „Jugend“ sehr liberal auslegt? Ist das die Midlife-Crisis? Und muss ich mich an der aktiv beteiligen?
Eigentlich nicht. Und eigentlich ist es ein ganz wunderbares Wort, das dieses Album beschreibt. Denn eigentlich hört man hin und wieder raus, warum Belle And Sebastian für Architecture In Helsinki oder die späten Metronomy Inspiration sind. Eigentlich ist das Album gut produziert. Eigentlich zeigt sich, dass Belle And Sebastian vielseitig sind. Dumm nur, dass das insgesamt nach der ewigen Suche riecht. Der Suche wonach? Tja, wenn ich das mal hätte raushören können.
Klar höre ich mir das Album bis zum Ende an. Klar ist die Enttäuschung nicht weg zu dancen. Klar können Belle And Sebastian das besser. Aber klar hab ich jetzt richtig Lust bekommen, die alten Platten wieder herauszukramen.
Label: Matador
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