Neue Platten: Noel Gallagher – „Noel Gallagher’s High Flying Birds“

(Sour Mash/Indigo)

8,1

Im Frühjahr machte der Rest von Oasis, minus Großhirn Noel Gallagher, als Beady Eye weiter. Liam Gallagher und Co. waren jetzt etwas „ganz Neues“, angeblich „besser als alles, was bisher da war“. Und Oasis war eh ein doofer Name, so der kleine Bruder. Jedoch wussten Kritiker und Fans nicht wirklich viel mit dem Erstling „Different Gear, Still Speeding“ anzufangen: Der Sound war in Ordnung, aber wo waren die Hymnen, die einst die verkaufsstärkste Britpop-Band ausmachten? Die Tour von Beady Eye verkaufte sich trotzdem gut, dennoch fehlten bei den Konzerten Noels Songs; und irgendwie auch Noel selbst.

Der große Gallagher hielt sich zwei Jahre nach der Trennung von Oasis bedeckt, kommentierte keinen von Liams zahlreichen Medien-Attacken. Erst vor ein paar Monaten sprach er erstmals öffentlich über den Vorfall in Paris, der das Ende von Oasis besiegelte. Im gleichen Zug kündigte Noel sein erstes Solo-Album an: „Noel Gallagher’s High Flying Birds“. Ein gefundenes Fressen für Liam, der die „High Flying Turds“ seitdem bei jeder Gelegenheit verspottet. Wohl auch mit ein wenig Angst: Zwar wurden Hits wie „Wonderwall“ nur zu Hits, weil Liam sie mit seiner einmaligen Stimme sang – doch aus seiner Feder stammten sie nicht. Und was ist mit „Don’t Look Back In Anger“? Diesen Song hatte sogar selbst Noel gesungen – und wurde trotzdem ein Hit. War da jetzt etwas ganz großes im Anmarsch? Den Vergleich zu seinem kleinen Bruder wollte Noel Gallagher verhindern, hat er mal in einem Interview gesagt. Dass das unmöglich ist, weiß er wahrscheinlich am besten – die beiden werden ohne Oasis auf ewig miteinander verglichen werden.

Jetzt ist seine Debüt-Platte da, und schon wird der Silberling gierig aus der Hülle gefischt. Beim ersten Hören sucht man (wie zu Oasis-Zeiten) seine Lieblinge. Und tatsächlich, man findet sie. Die Vorabsingle „The Death Of You And Me“ erinnert stark an „The Importance Of Being Idle“ (vom Album „Don’t Believe The Truth“). „If I Had A Gun“ wiederum hat den Charme der frühen Platten von Oasis (vielleicht ein wenig wie zu „Definitely Maybe“-Zeiten noch „Half The World Away“). „AKA … What A Life!“ ist auch nach mehrmaligem Hören unglaublich eingängig, mit einem merkwürdig-tollen Up-Beat. Herr Gallagher scheint sich also mal ausprobiert zu haben. Die im Vergleich zu Liams Organ eher schwächere Stimme von Noel stört auch nicht. Dennoch fragt man sich, wie wohl die Songs mit Liams Stimmchen geklungen hätten. Vieles auf dem Album scheint zwar schon einmal dagewesen zu sein, trotzdem: Es gefällt.

Der große Vorteil an „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ ist, dass man hier Passion, Wille und Können durchhört, und nicht wie bei Beady Eye das Rascheln der Pfund-Noten, die sie zwangsläufig einsacken werden. Das erste Solo-Album von Noel ist keine Platte, die das Universum maßgeblich verändern oder einen Hype wie in den frühen Neunzigern auslösen wird. Aber es ist ein gutes Album. Und wie bei Manchester City, dem Lieblingsverein der beiden Gallagher-Brüder, kann man sich sicher sein, das der Ball zwischen den beiden weiter hin und her gespielt werden wird – auch wenn nicht ganz klar ist, wohin überhaupt.

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