Neue Platten: Ursprung – "Ursprung"

(Dial)Dial

4,8

Der Ursprung von Musik – ob als Balzritual der Männer um die Frauen, wie es Darwin einst darlegte, oder als Bindung zwischen Mutter und Kind aus dem Singsang der „Babysprache“, wie es einschlägige Musikpsychologen behaupten. Die beiden Köpfe hinter dem Projekt Ursprung, Hendrik Weber alias Pantha Du Prince und Stephan Abry, machen ihre eigene Wissenschaft daraus und verarbeiten Klänge zu einem Sound zwischen Naturkomposition, kosmischer Musik und Ambient.

Die Musik steckt nach Auffassung der beiden bereits in der Natur, in der Materie. Schon für Pantha Du Prince‘ letztes Album „Black Noise“ zog sich Weber zusammen mit Joachim Schütz, Mitglied des Arnold Dreyblatt Trios, und Stephan Abry, ehemaliges Mitglied der Experimental-Band Workshop und auch diesmal Teil des Projekts Ursprung, in ein vom Erdrutsch begrabenes Dorf in den Schweizer Bergen zurück. Auch diesmal verschlug es das Duo in die Schweizer Alpen, um die Stille für ihre Musik zu nutzen. So klingt der Sound des Albums vor allem akustisch und doch entfremdet.

Entgrenzung, Weite und Sehnsucht sind Motive, die die Arbeit von Pantha Du Prince prägen. Klänge wie Plätschern, Knacken, Klackern und Klopfen werden auf dem Debüt des Nebenprojekts mithilfe elektronischer Verarbeitung und teilweise einer dezent begleitenden Gitarre aufbereitet zu einer paradoxen und dennoch stimmigen Komposition, die fremd und doch sinnlich wirkt. Die natürlichen Klänge der Natur liefern den Musikern die Grundsubstanz, aus welcher sie etwas nahezu Kosmisch-Elektronisches formen. Das Album richtet die Perspektive auf das, was Klang heißt und wie, beziehungsweise dass, aus Klang Musik wird. Die Widersprüchlichkeit zwischen Landschaft sowie Natur und urbaner Zivilisation wird aufgehoben und miteinander verarbeitet. Der Hörer kann sich vorstellen wie die Elemente arbeiten und Musik produzieren. Das wird vor allem möglich gemacht durch die präzise Bearbeitung und Zusammensetzung verschiedener Klänge zu einem in sich stimmigen Konzept. Nicht Maschinen geben die Vorlage, sondern organische Klänge. So finden wir auf dem Album eine mysteriöse und doch natürliche Atmosphäre vor.

Zumeist sind Anfang und Ende nicht eindeutig bestimmbar, hört man einmal das gesamte Album durch. Es fließt ineinander und wirkt zuweilen melancholisch bis bedrückend – dumpfe Klänge und höhlenartige Sounds gehen über in Plätschern und erklingen daraufhin erlösend und hell. Gleich einem unberechenbaren Unwetter, woraufhin sich wenig später erste Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke drücken.

Das Duo entwickelt eine eigentümliche Romantik, dem Hörer wird Natur auf eine ganz spezielle Weise nahegebracht – mithilfe von elektronischer Verarbeitung sowie Aufbereitung. Es entstehen organische Klangfelder: teils harmonisch, teils zerkluftet, immer kosmisch, manchmal krautig. Es ist ein Experiment, vielleicht eine Art Wissenschaft. Musikalisch interessant, doch fehlt dem Werk im Vergleich zum Album „Black Noise“ die Energie. Ideen werden oft in die Länge gezogen, es gleicht einem Jam, ohne eine bestimmte Richtung zu verfolgen und verliert dadurch an Reiz. In welchen Momenten sollte der Hörer die Platte auflegen? Für den Club ist es nicht konzipiert, in den eigenen vier Wänden geht das Potenzial wahrscheinlich nach wenigen Malen Hören verloren – dafür ist es zu experimentell und zerkluftet – und unterwegs könnte man es sich am ehesten in der Wüste, im Eis oder in den Bergen vorstellen – wenn man sowieso gerade allein im Einklang mit der Natur ist.

Label: Dial | Kaufen

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