Nicolas Jaar @ KaterHolzig Berlin am 01. August 2011

„Nicolas says he wants more bass.“ Der Tontechniker läuft mit seinem Handy am Ohr an den Leuten vorbei, die seit einer halben Stunde darauf warten, in das Innere des Fabrikgebäudes des KaterHolzig in Berlin zu kommen. Es regnet, aber die Stimmung ist entspannt am Montagabend. Bei manchen ziehen sich die Spuren des Wochenendes über das Gesicht, das Glitzerpuder ist verwischt, der optimale Zeitpunkt zum Gehen ist seit Stunden verpasst. Oder man kommt erst gegen acht Uhr abends, um das Wunderkind zu sehen: Nicolas Jaar. Nein, eigentlich schon zu viel gehyped, um noch große Worte zu verlieren. Alles wurde über ihn geschrieben: erst 21, mit 14 begann er mit dem Produzieren, er studiert eine Geisteswissenschaft, etwas für Schöngeister. Seit fast einem Jahr ist er also präsent und beendete gestern seine Europa-Tour in Berlin. Trotz seiner ständigen Präsenz in der Musikjournaille und seinem enormen Output an Edits und Remixen, empfinden einige im Publikum seinen Auftritt zunächst als befremdlich. Sein Album „Space Is Only Noise“ unterscheidet sich grundlegend von der Vorstellung eines DJ-Set von ihm. Es sind keine Club-Hits wie „Stay In Love“ oder „Come n Get It“, sondern langsam aufgebaute Klanggerüste, die sich erst nach und nach entladen. Wer jetzt einen four-to-the-floor-Beat vermisst, hat nichts verstanden.

Nicolas Jaar beginnt seinen Auftritt zunächst alleine auf der Bühne. Ohne Ansage oder Begrüßung versinken seine Augen in dem Schein seines MacBooks. Daraus entlässt er Cat Power’s „Wild As The Wind“ in den überfüllten Raum, gefolgt von Beach House. Er wirkt konzentriert aber trotzdem unruhig. Nach etwa fünf Songs hat er scheinbar keine Lust mehr. Nicolas gesellt sich von der Bühne zu den Leute in den ersten Reihen und verschwindet so unauffällig, dass es kaum jemand bemerkt. Kein Applaus beendet seine Solo-Show, enttäuschte Gesichter finden den Weg nach draußen. Wunderkind, ja – aber Allüren trüben das Bild.

Nach einer guten halben Stunde beginnt sich der Raum wieder zu füllen, die Musiker seiner Band stehen plötzlich auf der Bühne. Nicolas Jaar wird mit ihnen gleich mehr als eine Stunde alle Anwesenden in einen berauschten Zustand versetzten. Besonders beeindruckend wird hier deutlich, wie abgestimmt seine Songs aufeinander sind und wie sich gleiche Elemente nur durch Tempi-Wechsel immer wieder finden. Die Übergänge verbinden diese Elemente und lassen dem Wiedererkennen der einzelnen Titel eine optimale Zeitspanne zwischen „Ah, das ist doch…“ und „…klar: Too Many Kids Finding Rain In The Dust“. Auf diese Art wächst die Erkenntnis, dass „Space Is Only Noise“ eine neue Form des Konzeptalbums darstellt.

Zwischen „Colomb“, „Marks“, „Specters Of The Future“ und „Mi Mujer“ steigt das Klima im Raum ins Tropische. Nachdem sich Jaars Rückkehr auf die Bühne herumgesprochen hat, drängen alle wieder ins Innere, was zum Teil zu einer gefährlichen Enge führt. Während des Konzertes legt sich ein glänzender Schleier aus Schweiß über die zuckenden Schultern. Die nassen Haarsträhnen werden unbekümmert aus der Stirn gestrichen, Augen schließen sich, Lächeln treten hervor – die Musik fängt an zu wirken. Die Synapsen werden von tropfenden Basssequenzen und der fließenden Langsamkeit der Harmonien besetzt. Raum und Zeit, beides Komponenten, die Jaar in seine Musik einbaut, werden bei diesem Konzert ausgeblendet. Das Gitarrensolo bei „Space Is Only Noise If You Can See“ reißt uns auf erfrischende Art wieder in die Realität zurück. Wie ein Eimer kaltes Wasser weißt es auf das Ende des Traums hin. Nachdem die Band die Bühne verlassen hat, spielt Nicolas Jaar noch zwei neue Stücke und gibt die Gewissheit: Was von ihm bald kommt, ist genauso gut wie das schon Bestehende. Viel besser kann es auch einfach nicht werden.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Nicolas Jaar @ KaterHolzig Berlin am 01. August 2011 : ByteFM Magazin
    Aug 5, 2011 Reply

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