Noya Rao – „Icaros“ (Album der Woche)

Cover von IcarosNoya Rao – „Icaros“ (Gondwana Records)

Im Zeitalter der Informationsüberflutung kommen plötzlich viele junge Bands auf die Idee, wilde Genre-Mixe mit gutem Songwriting zu verbinden. Auf den ersten Blick ist das bei Noya Rao nicht viel anders: Aus Elementen des Jazz, R&B, Soul und Electronica baut sich das Quartett aus Leeds aber – dem mythischen Namensgeber ihres Debüts „Icaros“ entsprechend – seine eigenen Flügel, ohne dabei zu weit vom zugänglichen Boden des Pop abzudriften.

Noya Rao war ursprünglich als Solo-Trip des britischen Produzenten Tom Henry konzipiert. Doch schon die ersten Minuten von „Icaros“ demonstrieren, dass dieses Album ein gemeinschaftliches Projekt ist: Henrys mysteriöse E-Piano-Tupfer schweben nur kurz alleine im Raum, bis sie mit einer hypnotischen Bassline und einer warm synkopierten Snare-Drum ein zutiefst menschliches Fundament untergesetzt bekommen. Noya Raos Soundästhetik ist zwar grundlegend elektronisch, trotzdem ist bei Songs wie „Azimuth“ spürbar eine Band am Werk: Beats und Bass bewegen sich organisch um die strahlende Stimme der Sängerin Olivia Bhattacharjee und entwickeln dabei eine Dynamik, die so kein Computer programmieren kann.

Diese Band scheint dabei ziemlich demokratisch zu sein: Bhattacharjees Gesang drängt sich niemals in den Vordergrund, sondern ist vielmehr ein Teil des Ganzen. Nicht, dass Bhattacharjee sich mit ihrer Stimme vor irgendetwas verstecken müsste: In den sphärischeren Stücken von „Icaros“ beweist sie mühelos die Qualitäten ihres Organs, wie zum Beispiel mit den mehrstimmigen R&B-Chorälen von „Moments“ oder mit der himmlischen Kopfstimme in den ätherischen Nachtmusiken „Dreaming Pt.1“ und „Dreaming Pt.2“.

Doch Henry vermag es als Produzent, diese Stimme perfekt in Noya Raos komplizierten Sound einzuarbeiten, indem er sie im Mix wie ein Instrument benutzt: Im Album-Highlight „Golden Claw“ ist sie auf einer Augenhöhe mit seinen treibenden Synth-Arpeggios, die sich im Outro in wilde Höhen schrauben – und dabei an das kontrollierte Chaos von Flying Lotus erinnern. So weben sich Noya Rao aus diesen ganzen disparaten Elementen einen wunderschönen polyrhythmischen Klangteppich, der mehr als nur die Summe seiner Teile ist. Und in den besten Momenten ist das einfach tolle Pop-Musik.

Veröffentlichung: 24. November 2017
Label: Gondwana Records

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