Oneohtrix Point Never – „Garden Of Delete“ (Rezension)

Cover des Albums Garden Of Delete von Oneohtrix Point NeverOneohtrix Point Never – „Garden Of Delete“ (Warp)

7,5

Die Phase zwischen dem ersten Hormonrausch und der ersten elternfreien Wohnung kann unbeschwert und lustig sein, sie kann aber auch ganz schön nerven, verwirren, zermatern. Einfache Ablenkung für gepeinigte und gelangweilte Teenager gibt es seit rund 20 Jahren in Form von Milliarden von Daten aka dem Internet. Ezra kennt sich da auch aus. Der pickelige Jugendliche aus New York liebt die Hypergrunge-Band Kaoss Edge, seinen Hund Void (menschliche Freunde halten es nie lange bei ihm aus), Schlagzeugspielen und Studiofrickeleien, er ist ein Alien und außerdem die Erfindung von Daniel Lopatin, Oneohtrix Point Never.

Lopatin nutzte ein leicht schaurig verfasstes PDF, in dem er über seine Freundschaft zu Ezra schrieb, als Ankündigung zu „Garden Of Delete“. Es folgte ein unübersichtliches Geflecht aus Blogs, toten Links und Twitter-Profilen, unter anderem von der von Ezra verehrten fiktiven Band Kaoss Edge. Das Geflecht lebt noch, Lopatins siebtes Album mittlerweile auch. Den Vorgänger „R Plus Seven“ machten sakral anmutende, synthetische Flächen unterbrochen von Computerstimmen und Glitches aus. Vielgestaltige, durch den Häcksler geschickte Schichten bestimmen „Garden Of Delete“.

Wird im Garten Eden das Eine verlustfrei aus dem Anderen geschaffen, regieren im „Garden Of Delete“ die Lücken, die Reduktion, die Sprünge durch die Zeit. Wir werden begrüßt von der verzerrt-verfremdeten Stimme von Ezra. Der gleichnamige Track findet seinen Höhepunkt nach Start/Stop-Intro, grungiger Gitarre und Vaporwave-Fetzen in einem Rave-Glissando. In „Sticky Drama“ shiftet der Klangfokus vom Klavierspiel, das zum Technobeat morpht, zu Black-Metal-Knüppelei in niedriger Bitrate. Ein dichtgestrickter, eintöniger Beat ebnet im achtminütigen „Mutant Standard“ den Weg für vogelsanggespickte Ambientsounds, und die werden wiederum von einer ohrenbetäubenden Strobo-Atmosphäre abgelöst.

Es ist so, als würde man Daniel Lopatin beim Fernsehschauen zuhören. Nur dass er nicht in eine bestimmte Zahl von Kanälen blickt, sondern in unendliche Quellen von Sounds, Sprache, Bildern. Statt Fernbedienung hat er Konsolen und Synthesizer in den Händen, mit denen er breite Flächen und aufrüttelnde Beatkonstrukte zwischen was auch immer ihm in die Finger gerät jagt.

Das Zeitalter der Aufmerksamkeitsdefizitstörung in Albumform gegossen – „Garden Of Delete“.

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