„Rebel Girl“ – Kathleen Hanna in fünf Songs

„Rebel Girl“ – Kathleen Hanna in fünf Songs

Kathleen Hanna (Foto: Shervin Lainez)

„Weil wir uns uns nicht an die (Jungs-)Standards anpassen wollen, die vorschreiben, was ist und was nicht ist.“ Dies ist einer der 16 Beweggründe, die 1991 im „Riot Grrrl Manifesto“ festgehalten wurden. Es erschien in der zweiten Ausgabe des Bikini Kill Zines – und markierte den Startschuss einer Bewegung. Kathleen Hanna, die Autorin dieser Zeilen, wurde mit ihrer Band Bikini Kill zum Gesicht des feministischen Punk-Untergrunds. Mit „Riot Grrrl Manifesto“ schrieben sie ihre eigenen Regeln, was ist und was nicht ist.

Aufgewachsen in einem zerrütteten Haushalt in Portland als Tochter eines gewalttätigen Alkoholikers musste die Musikerin und Aktivistin früh lernen, sich gegen übergriffige Männer zu wehren. Mit wütenden Protesthymnen und in DIY-Zines abgedruckten Artikeln engagierte Hanna sich dafür, Künstlerinnen in der nach wie vor von maskulinen Machismen dominierten Musikwelt eine Stimme zu geben. Am 12. November 2018 wird sie 50 Jahre alt. Wir haben die fünf Bands, in denen sie in ihrer Karriere aktiv war, in fünf Songs porträtiert.

Viva Knievel – „Boy Poison“

Als Hanna Ende der 80er-Jahre begann, Spoken-Word-Poesie zu schreiben und aufzuführen, musste sie noch als Stripperin arbeiten, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Männliche Hypersexualität ist in ihrer Musik ein omnipräsentes Thema, das sich bereits auf ihrer allerersten Single finden lässt. In „Boy Poison“, der einzigen Single ihrer kurzlebigen Band Viva Knievel, nimmt sie das Problem mit der toxischen Maskulinität wörtlich. „Good boys are hard to find“, singt sie mit betont gelangweilter Stimme – und man kann verstehen, was sie meint.

Bikini Kill – „Rebel Girl“

Liebeslieder über Frauen gibt es eigentlich genug im Pop. Liebeslieder über Frauen, geschrieben aus der Perspektive einer Frau, umso weniger. Mit Zeilen wie „Rebel girl you are the queen of my world / I think I want to take you home / And try on your clothes“ stellte Hanna das Konzept des heteronormativen Lovesongs auf den Kopf – ohne dabei oberflächlich zu sein: Die Ich-Erzählerin ist nicht nur in diese Frau verliebt, sie ist auch von ihr inspiriert. „Sie“ lebt die Revolution, mit ihren Hüften und mit ihrem Geist. Diese Mischung aus femininer Verehrung und Solidaritätsaufruf machte „Rebel Girl“ zu einer der definitiven Hymnen des Riot Grrrl. Produziert wurde er von einer Frau, die Hanna tatsächlich verehrt hat: Joan Jett.

Julie Ruin – „I Wanna Know What Love Is“

Nach sieben Jahren Bikini Kill lösten Hanna und ihre MitstreiterInnen Kathi Wilcox, Tobi Vail und Billy Karren die Band 1997 auf. Im selben Jahr nahm Hanna ihre erste Soloplatte auf, alleine in ihrem Schlafzimmer, nur mit Gitarre, einem Sampler und einem 40$-Drumcomputer bewaffnet. Das Ergebnis, „Julie Ruin“, ist ein chaotisches, abenteuerliches Soloalbum, voll mit subversiven Lo-Fi-Seltsamkeiten. Ein Paradebeispiel ist „I Wanna Know What Love Is“, in dem Hanna mit einem neuen Text Foreigners käsige Powerballade in einen Protestsong gegen Polizei-Brutalität verwandelt. „Come on now the police aren’t gonna save you / They’re part of the problem that society gave you“, heißt es in ihren Strophen, im Outro ein Sample des The-Clash-Klassiker „Guns Of Brixton“ die bedrohliche Atmosphäre abrundet.

Le Tigre – „Deceptacon“

Le Tigre begann eigentlich als Live-Band, die gegründet wurde, um die elektronischen Sounds von Julie Ruin auf die Bühne zu bringen. Doch zwischen Hanna, Johanna Fateman und Sadie Benning stimmte die Chemie so sehr, dass schnell neue, gemeinsame Songs entstanden. Im Vergleich zum rauen Punk-Sound von Bikini Kill schrieben Le Tigre seltsame Electroclash-Hits. Allen voran: Die unfassbar eingängige New-Wave-Hymne „Deceptacon“, in der Zeilen wie „Wanna see me disco?“ mit Kampfansagen wie „Let me hear you depoliticize my rhyme“ Hand in Hand gehen. Der Bass tanzt über den dreckigen Dancefloor, die Synthesizer sind verzerrt und chaotisch – und jede Melodie sitzt. Ein Song, der beweist, wie catchy Politik sein kann.

The Julie Ruin – „Mr. So And So“

2005 musste Hanna Le Tigre aufgrund einer langjährigen Borreliose-Krankheit verlassen. Fünf Jahre später versammelte sie frisch kuriert eine neue Band um sich, zusammengesetzt aus alten (Bikini-Kill-Gitarristin Kathi Wilcox) und neuen (Kabarett-Künstler Kenny Mellman) MitstreiterInnen, um ihr altes Soloprojekt zu reanimieren. Die zwei Alben, die sie seitdem unter dem Namen The Julie Ruin veröffentlichte, haben schlussendlich nicht viel mit dem alten DIY-Lo-Fi zu tun. Stattdessen sind es energiegeladene Rock-Platten geworden, die die Dringlichkeit von Bikini Kill mit der Experimentierfreudigkeit von Le Tigre kombinieren. In „Mr. So And So“ erklingen sowohl verzerrte E-Gitarren als auch verspielte Synthesizer. Hanna beweist mit ihren sich überschlagenen Wortkaskaden, dass sie noch nichts von ihrem Biss verloren hat: „Gonna ask you to play just a week and a day before my festival / Cause the bill is all guys and people wanna know why / And I need you for some press quotes.“ 27 Jahre nach dem „Riot Grrrl Manifest“ ist die Musikwelt zwar immer noch Männerdomäne – doch Kathleen Hanna und ihre Kunst legten den Grundstein für die Hoffnung, dass das nicht immer so bleiben wird.

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    „Girls to the front!“ – Die Dokumentation „The Punk Singer“ über „Riot Grrrl“-Sprachrohr Kathleen Hanna | ANEWFRIEND
    Sep 17, 2019 Reply

    […] rein gar nichts sagte, haben die Kollegen des ByteFM Blog eine musikalische Übersicht von „Kathleen Hanna in fünf Songs“ zusammengestellt. Feine Sache, das. Allen anderen sei so oder so der Soundtrack zu […]

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