Sufjan Stevens – „The Ascension“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „The Ascension“ von Sufjan Stevens, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Sufjan Stevens – „The Ascension“ (Asthmatic Kitty Records)

Sufjan Stevens hat sich verändert. Vom Poeten, der in den Nullerjahren US-Lokalkolorit in herzzerreißende Americana verwandelte, ist nach eigener Aussage nicht mehr viel übrig: „Ich bin alt und der Welt überdrüssig geworden“, sagte der 45-Jährige dem Magazin The Atlantic. „Ich bin todmüde. Ich bin desillusioniert.“ Selbst in ihren melancholischsten und düstersten Momenten, in Songs über Serienmörder oder Kindheitstraumata, war Stevens‘ Musik immer von zwischenmenschlicher Wärme durchzogen. Nun nennt er sich selbst einen misanthropischen Miesepeter.

Und wie klingt die Musik, die dieser Griesgram jetzt macht? So bunt, lebendig und aufmunternd wie lange nicht mehr. „The Ascension“, das achte Album von Sufjan Stevens, ist mehr Synth-Pop als Indie-Folk. Die Single „Video Game“ hätte in den Clubs der 80er-Jahre ein astreiner Hit sein können. In „Run Away With Me“ ertönt der „Aufstieg“, der dem Album seinen Titel gibt: Zur Hälfte des Songs reißen Synthesizer und Slide-Gitarren den Himmel auf. Kein Wunder, dass Stevens lange auf der Bühne dekorative Engelsflügel trug. So viel Pop hatte seine Musik noch nie.

Griesgrämiger Engelspop

Dennoch ist „The Ascension“ so gar kein Friede-Freude-Eierkuchen-Album. So leicht und bunt die Musik daherkommt, so direkt und anklagend ist ihr Sänger. „Nein, ich wollte nicht noch einen Song über meine tote Mutter schreiben“, so Stevens. „Ich wollte Songs schreiben, die die Welt verurteilen.“ Das tun sie wirklich, insbesondere der letzte des Albums: „America“ ist ein zwölfminütiges Opus, in dem Stevens den Allmächtigen persönlich anzuflehen scheint. Es beginnt mit „I have loved you, I have grieved / I’m ashamed to admit I no longer believe“. Es endet mit einem sich stets wiederholenden Mantra „Don‘t do to me what you did to America“.

„The Ascension“ ist ein Balanceakt zwischen harscher Kritik und himmlischen Harmonien. Zwischen Existenzkrise und Ermächtigung. Diesen Drahtseilakt vollführt er über 15 Songs, über 80 Minuten. In einer Hinsicht hat sich Stevens nicht verändert: Er ist immer noch der Meister der traurigen Wohlfühlmusik.

Veröffentlichung: 25. September 2020
Label: Asthmatic Kitty Records

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Rezensionen Schreiben | Merkur24 – Online Casino & Slot Machines
    Okt 11, 2020 Reply

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