Sziget Festival 2016: Grün, bunt, schwere Füße

Von Matthes Köppinghoff, 18. August 2016

Foto von einem Teil des Festivalgeländes vom Sziget FestivalEin Teil des Festivalgeländes vom Sziget Festival (Foto: Matthias Köppinghoff)

Das einzig Doofe vorweg: Ich brauchte knapp anderthalb Stunden, um den Pressebereich zu finden, was zum einen an meinen eingeschränkten Kartelesefähigkeiten lag, zum anderen am Verlaufen auf dem großen Gelände und den eher simplen Englisch-Kenntnissen der Ordner. Als diese (wirklich einzige) Hürde geschafft war, wusste ich dann aber auch um mein Glück: Ich war beim Sziget. Zum ersten Mal überhaupt war ich da, es war gleichzeitig auch mein erster Aufenthalt in Budapest überhaupt. Und da war ich verdammt glücklich.

Wem das Sziget Festival (noch) nichts sagen sollte: Das ist ein Festival in der Hauptstadt Ungarns, einmal jährlich kommen rund 400 000 Besucher auf sieben Tage verteilt auf eine Donauinsel. In den letzten Jahren wurde es oft zum besten Festival Europas gewählt. Das liegt zum einen an der Mischung aus großen Headlinern, Szenegrößen und viele kleineren Bands und DJs – aber auch an der Aufmachung des Festivals und an dem gigantischen Rahmenprogramm. Und es wäre auch nicht fair, das Sziget nur auf die diesjährigen Headlinder Rihanna, Muse und David Guetta zu reduzieren. Die Gäste (besser: die vielen internationalen Gäste) kommen längst nicht nur für die Musik nach Budapest.

Wie gesagt: Das Sziget liegt auf einer Donauinsel mitten im Herzen der Stadt. Bei meinem ersten Spaziergang über die Insel sah ich schon, wie liebevoll das Festival in die Natur gesetzt wurde – während ich von ein paar anderen Festivals kahle und kalte Betonwüsten gewohnt bin. Selbst in der letzten Ecke hingen mindestens Lichterketten, Ballons oder Lampenschirme. Enorm viele Bühnen waren aufgebaut, auf denen ungefähr tausend Konzerte stattfanden – die OrganisatorInnen konnten da auch nur grobe Schätzungen liefern. Wer will es ihnen verübeln; schließlich haben sie schon genug damit zu tun, das Festivalgelände zu schmücken und herzurichten. Das heißt: drei Monate Auf-, drei Monate Abbau.

Das Besondere am Sziget: die glücklichen Menschen

Das politische Klima ist in Ungarn gelinde gesagt nicht so toll – dafür merkte man das aber beim Sziget nicht. Auf der „Island Of Freedom“ waren die Besucher extrem entspannt; zwar war es ordentlich voll, dennoch waren alle sehr friedlich – glückliche und das Leben genießende Menschen. Auch, wenn es hier immer doch recht laut ist. So wirklich Ruhe bekommt man auf diesem Festival nie – andererseits, das ist überall anders ja genauso, aber dafür kann man sich hier den Lärmpegel aussuchen und zum Beispiel mal an der Bluesstage oder der Weltmusikbühne rumhängen und sich berieseln lassen.

Neben der Musik, die aus jeder Ecke dröhnt, bietet das Sziget zum Beispiel das: einen Strand (okay, der war in diesem Jahr leider wegen Hochwasser gesperrt), etliche Sportmöglichkeiten, Massenyoga, ein Kino, ein Museumsquartier, einen Zirkus, kleine Supermärkte und sogar ein Postamt. Und wem das zu wenig war, dem stand noch die Schaumparty, das Schachzelt oder der große Kunstbereich zur Verfügung. Allein das Essensangebot und vor allem das eigene Weindorf (!) waren ein Traum. Ich habe mit ziemlicher Sicherheit nicht alles auf dem Sziget gesehen – dafür waren meine fünf Tage Aufenthalt doch ein wenig knapp –, aber ich sah schnell das bestätigt, was man mir im Vorfeld berichtet hatte. Ein Festival wie eine große, wilde, bunte Party, auf der aber alle entspannt sind. Von der „Wir-schmeißen-20-Tonnen-Farbe-in-die-Luft-und-freuen-uns“-Aktion vor der Mainstage habe ich dann aber bewusst großen Abstand gehalten.

Und jetzt zu den Bands

Und nicht zu vergessen: Es gab noch etliche gute Bands zu sehen. Nach meiner epischen Suche nach dem Pressezelt habe ich mich direkt wieder mit Jake Bugg versöhnt, Parov Stelar hat mir Spaß gemacht, Editors, Unkle und Sigur Rós haben mir auch gut gefallen. K.I.Z hatten einen wunderbaren Kommentar für alle „Luxusurlauber“ übrig, die sich einen günstigen Sauf-Urlaub in Ungarn gönnen. Mein absolutes musikalisches Highlight war aber Róisín Murphy: Die ehemalige Moloko-Sängerin hat eine unfassbar gute Show abgeliefert – inklusive gefühlt 40 Kostümwechseln. Als die Sängerin von der Bühne ging, hing eine Aura von „Weltstar“ in der Luft – davon hätte sich Rihanna zwei Tage vorher durchaus eine Scheibe abschneiden können.

Mein Fazit meines Kurztrips nach Ungarn: Budapest ist eine aufregende Stadt und einen Besuch beim Sziget kann ich definitiv empfehlen. Wer mal ein paar Tage entspannt Vollgas geben möchte und dazu gern an jeder Ecke Musik hat, ist dort gut aufgehoben. Genug geschrieben – jetzt kuriere ich erst mal meine Erkältung aus und pflege meine angeschlagenen Füße. (Laut Schrittzähler hatte ich am Festivalwochenende zweimal jeweils knapp 20 Kilometer auf der Uhr. Aua.) Eine schräge Begegnung fällt mir allerdings gerade noch ein, als mich zwei Teenie-Mädchen angesprochen haben:

„Excuse me … Are you the guy from Fall Out Boy?“
„Uhm … No. Sorry.“
„Oh … But let’s high five!“

Was für ein sympathisches Festival.

In der nächsten Ausgabe von Champagne Supernova (12. September 2016, 22 bis 23 Uhr) erzählt Matthes Köppinghoff noch mehr vom Sziget Festival 2016.

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