Talking Heads – „Fear Of Music“ wird 40

Cover des Albums „Fear Of Music“ von Talking Heads

Talking Heads – „Fear Of Music“ (Sire)

Was braucht der moderne urbane Mensch? Diese Frage scheinen Talking Heads auf ihrem dritten Album „Fear Of Music“ zu stellen. Die Antworten lesen sich in den Songtiteln: Rauschgift. Beistand in Form von Haustieren. Eine Lieblingsbar, nennen wir sie einfach „Heaven“. Luft zum Atmen, selbstverständlich. Und Pop-Musik.

Doch die Realität sieht anders aus. Die Drogen machen alles Schlimme noch schlimmer. Die Haustiere sind nicht so schlau und einfühlsam wie sie zunächst erscheinen. Im „Heaven“ passiert nie irgendetwas. Die Luft ist vergiftet. Und die Pop-Musik angsteinflößend. Tanzbar und groovend, aber von einer omnipräsenten Paranoia durchzogen. Das Album, auf dem David Byrne, Jerry Harrison, Tina Weymouth und Chris Frantz das urbane Leben entzauberten, wird am 3. August 2019, 40 Jahre alt.

„Find yourself a city to live in“

Nachdem die Singles des Vorgängers „More Songs About Buildings And Food“ (im speziellen das Al-Green-Cover „Take Me To The River“) der Band erste eindrucksvolle Charterfolge bescherte, wollten Talking Heads klarstellen, dass sie mehr als eine Hit-Maschine waren. Ihre ersten beiden LPs waren Post-Punk, verklärt mit Disco- und R&B-Elementen sowie Byrnes gesellschaftskritischen Texten. Mit einem Bein im Club, mit dem anderen in der Universität. Mit dem Nachfolger „Fear Of Music“ schwebte der Band ein Gesamtkunstwerk vor, dass den stumpfen Großstadtalltag in dystopische Grooves verwandelte.

Opener „I Zimbra“ klingt erst einmal nicht nach Metropole. Mithilfe zahlreicher Gast-SängerInnen und Percussionisten breitet die Band einen rhythmisch verzahnten Highlife-Disco-Hybriden aus, über den ein Chor Dada-Poesie von Hugo Ball intoniert. Abstrakter kann man ein Album eigentlich nicht beginnen. Nach dieser einstimmenden Verwirrung lässt Byrne in „Mind“ klare Worte sprechen: „Time won‘t change you / Money won‘t change you.“ In „Cities“ wird die Suche nach dem idealen Wohnort zu einer existentialistischen Krise. Der Protagonist von „Life During Wartime“ würde sich gerne dem hedonistischen Party-Leben ergeben, kann aber nicht – zu beunruhigend ist die Welt um ihn herum geworden. Wer kann schon entspannt feiern, wenn zur gleichen Zeit in Detroit oder Houston AfroamerikanerInnen gegen ihre Unterdrückung protestieren?

Dystopische Disco, hysterischer Funk

Getanzt wird auf diesem Album trotzdem. Gemeinsam mit ihrem Produzenten Brian Eno schufen Talking Heads Groove-Monster wie das hysterisch funkige „Animals“ oder den niemals endenden Drive von „Life During Wartime“. Frantz trommelt um sein Leben. Die Gitarren von Byrne und Harrison kratzen unnachgiebig am Trommelfell. Weymouths Bass-Lines bewegen sich in seltsamen Bahnen.

Alles kulminiert im Abschlussong „Drugs“. Während die Band sonst auf dieser LP ihr Gift hinter unwiderstehlichen Grooves versteckt, wird hier alles transparent. Die Band kriecht im bedrohlichen Tempo, während Eno Störgeräusch aus den Boxen klirren lässt. Es ist der unausweichliche Kater nach der Selbstzerstörung. „I feel mean, I feel O.K.“, krächzt ein hysterischer Byrne. Was der moderne urbane Mensch braucht, scheint nicht so wichtig. Er weiß ja nicht mal, wie er sich fühlt.

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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