Teenage Fanclub – „Endless Arcade“ (Rezension)

Bild des Albumcovers von „Endless Arcade“ von Teenage Fanclub

Teenage Fanclub – „Endless Arcade“ (PeMa)

9,0

Dass in Krisenzeiten große Kunst entstehen kann, dafür hält die Kulturgeschichte zahllose Beispiele parat. Wenn sich Leidensdruck in Notwendigkeit verwandelt, profitiert das Werk. Die famose Durchschlagskraft von „Endless Arcade“, dem neuen Album von Teenage Fanclub, hat sicher nicht nur mit Drama und Umbruch zu tun. Ein Teil davon aber schon.

Nach drei Jahrzehnten Bandgeschichte räumte 2018 mit Gerard Love ein Gründungsmitglied seinen Platz. Fast zeitgleich stand Norman Blake vor den Trümmern einer langen Ehe. Das elfte Studioalbum „Endless Arcade“ geriet unversehens zur Bewährungsprobe – und zum Schauplatz existentieller Emotionen, quasi zu einem doppelten „Farewell To Love“.

Die Band entschied sich dafür, den Bassisten nicht einfach zu ersetzen, sondern das gesamte Gerüst neu zu fügen. Gitarrist Raymond McGinley trat gewissermaßen von der Bühnenseite näher ins Rampenlicht, und das walisische Allroundtalent Euros Childs (ehemals Gorky’s Zygotic Mynci) kam als Geheimwaffe ins Spiel. Neben engelsgleichem Harmoniegesang beschert er den schottischen Altmeistern eine neue, durchaus komplexe Tastenebene. Dave McGowan rückte zudem von seinem Platz an den Keyboards hinüber zum Bass, den er ansonsten auch bei Belle And Sebastian bedient.

Wohlige Schwermut

Die Verschiebung im Gefühls- und Klangbild führt zu einer kristallklaren Konstellation: Wir haben mit Blake und McGinley nun zwei Songwriter, die sich komplementär ergänzen. Während Blake sein aufgewühltes Innenleben unverschleiert offenlegt, steht ihm McGinley tröstend zur Seite: „Don’t be afraid of this life“, singt er etwa im Titelsong. Beide haben jeweils sechs Lieder auf „Endless Arcade“ zu verantworten, die Autorschaft lässt sich immer klar erkennen. So entfaltet sich im texturreichen Melodienmeer ein Wechselspiel von hoher narrativer und ästhetischer Kohärenz, zwischen Verzweiflung und Hoffnung.

Auch wenn die Texte von privater Befindlichkeit herrühren und vor dem Lockdown fertiggestellt wurden, lassen sich viele Stellen als Kommentare auf die Pandemie lesen: „I could live in isolation“, „It’s hard to walk into the future“ – der bittersüße Opener trägt den Titel „Home“. Hier findet sich die Band im neuen Soundbild ein und bietet zugleich eine perfekte Vorlage für McGinleys Gitarrenkünste. Sein vierminütiges Solo wurde im Moment der Aufnahme improvisiert und genauso belassen.

Die Dinge unverstellt wiederzugeben, dies gehört zu den Stärken von „Endless Arcade“. Das im Hamburger Clouds Hill Studio produzierte Album ist so bescheiden wie brillant. Es berührt, ohne zu beschweren.

Veröffentlichung: 30. April 2021
Label: PeMa

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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