The Bryan Ferry Orchestra – "The Jazz Age"

The Bryan Ferry Orchestra - The Jazz AgeVÖ: 30. November 2012
Web: bryanferry.com
Label: BMG

Wer im Internet ein wenig recherchiert, kann Fotos und Videos der Release-Party Bryan Ferrys zu seinem neuen Album „The Jazz Age“ finden. Dort tummeln sich Frauen in schicken, mal mehr, mal weniger extravaganten und scheinbar teuren Abendkleidern mit Herren in ebenfalls schicken, mal mehr, mal weniger extravaganten und scheinbar teuren Anzügen in einem Salon mit goldumrahmten Spiegeln, schweren Teppichen und Gemälden. Das Ganze sieht total etepetete aus.

Was soll das alles? Nicht nur, dass der junge Bryan Ferry aus den Roxy-Music-Jahren mittlerweile stramm auf die 70 zugeht und es sicherlich etwas gediegener oder „altmodischer“ mag, der Abend passte sich nur dem Konzept von „The Jazz Age“ an: Zusammen mit einem nach ihm benannten Orchester spielte er dafür 13 Songs seiner Laufbahn ganz im Stile von 20er-Jahre-Jazz ein. Die Party war der Versuch, das Lebensgefühl dieser Zeit und dieses Stils einzufangen und irgendwo in einem Londoner Nobelschuppen (Annabel’s), in dem schon Ray Charles, Ella Fitzgerald und Frank Sinatra spielten, zu reproduzieren.

Ferry hat für sein neues Album keine neuen Songs geschrieben. Die Platte umfasst die vier Dekaden seines musikalischen Schaffens mit Songs, die er mit Roxy Music veröffentlichte und aus Solo-Werken. Der älteste Track, „Virginia Plain“, kommt vom 72er-Album „Roxy Music“ und das jüngste Lied, „Reason Or Rhyme“: Keine drei Jahre ist es her, als es auf Ferrys letztem Soloalbum „Olympia“ erschien. Auf den Gedanken, dass „The Jazz Age“ eigentlich nur ein Best-of-Album ist, scheint aber wohl niemand gekommen sein. Chronologisch durcheinander, besteht das Album aus den wichtigsten Liedern Bryan Ferrys oder aus dem, was Ferry selbst als am wichtigsten erachtet. Unter anderem haben es noch „Do The Strand“, „The Bogus Man“ (beide: Roxy Music – „For Your Pleasure“), „Don’t Stop The Dance“ (Solo – „Boys And Girls“), „Avalon“ (Roxy Music – „Avalon“), und „The Only Face“ (Solo – „Mamouna“) auf das Album geschafft.

Doch selten hat ein Künstler sein Best-of so originell und einzigartig verpackt wie Ferry. Selbst der langjährige Ferry-/Roxy-Music-Hörer kann alte Lieblingslieder neu entdecken, denn Bryan Ferry hat sich für die neuen Arrangements hörbar viel Mühe gegeben. Auch wenn einem selbstredend vieles bekannt vorkommt, ist der ursprüngliche Song nicht immer omnipräsent. Manchmal muss man auch genauer hinhören, um einzelne Liedpassagen wiederzuerkennen. Vielleicht auch, weil alle Tracks instrumental sind.

Das Rauschen 90 Jahre alter Jazz-Schallplatten ist das einzige Zugeständnis Ferrys an unsere Zeit; es fehlt nämlich. Ansonsten ist alles da, was diesen 13 Aufnahmen eine 20er-Jahre-Authentizität verleiht: Zuallererst natürlich der dumpfe Klang, auch die einhergehende Nostalgie und dann Neugierde, wie das Leben in einer Phase der Popmusik wohl war oder wäre, von der kaum ein Lebender noch erzählen kann. Eine Epoche, die immer noch großen Einfluss auf die heutige Popmusik hat. Man fühlt sich schnell an die alten Jazz-Heroen erinnert: Ellington, Armstrong und wie sie alle heißen. Da ist es ein wenig erheiternd, dass gerade ein Brite eine damals durch und durch amerikanisch geprägte Musikszene wieder aufleben lässt und sich so im Glanz der genannten Legenden sonnt. Unabhängig davon, dass er innerhalb seines ursprünglichen Genres längst selbst eine Ikone ist.

In dem Zusammenhang sollte man an dieser Stelle auch würdigen, dass sich Bryan Ferry nach über 40 Jahren Karriere nicht nur auf die Verwaltung seines musikalischen Erbes beschränkt. Vom Sich-selbst-neu-erfinden möchte man da zwar noch nicht reden, dafür aber von einem Angebot, einen kleinen Teil seines Lebenswerks aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten.

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