Die Debütalben von Madness und The Specials werden 40 Jahre alt

Cover der Alben „The Specials“ und „One Step Beyond“ von The Specials und Madness

Die Cover von „The Specials“ und „One Step Beyond“. Beide Alben erschienen am 19. Oktober 1979

Als sich Prince Buster 1973 aus dem Musikbusiness zurückzog, konnte er auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. Der jamaikanische Sänger und Songwriter hatte in den 60er-Jahren die Musikszene seines Heimatlandes maßgeblich beeinflusst: Songs wie „Al Capone“ und „Wash Wash“ bildeten die Blaupause für das, was später Ska genannt werden sollte. Er war einer der ersten Jamaikaner, die den Backbeat der Insel in den USA und in Großbritannien popularisierten. Fünf Jahre bevor der Film „The Harder They Come“ Musik aus Jamaika zu einem globalen Phänomen machte, kletterte seine Single „Ten Commandments“ in die US-amerikanischen Billboard-Charts.

Doch Busters Einfluss sollte noch lange nach seinem Ruhestand nachklingen. Ende der 70er-Jahre begann eine Handvoll junger Briten, seine Musik zu entdecken. Sein Sound traf bei der tanzwütigen, aufgekratzten Jugend einen Nerv. Sechs Londoner benannten ihre Band nach seinem Song „Madness“, während die erste Single einer anderen Truppe aus Coventry namens The Specials eine Variation auf sein „Al Capone“ war. Beide Bands konstruierten aus seinem Sound ein neues Genre. Und beide Bands veröffentlichten am selben Tag ihr Debütalbum. Nicht nur „One Step Beyond“ und „The Specials“ feiern heute, am 19. Oktober 2019, ihren 40. Geburtstag, sondern auch Prince Busters großes britisches Erbe: der 2 Tone.

Madness und The Specials teilen auf den ersten Blick sehr viele Gemeinsamkeiten. Sie adaptierten auf der Bühne und auf den Albencovern die gleichen, in der jamaikanischen Musikszene populären „Rude-Boy“-Outfits: schwarze Anzüge, schwarze Krawatten, weiße Hemden und flache Porkpie-Hüte. Beide Gruppen stammten aus der „Working Class“. Die Musik von beiden Bands bekam den gleichen Namen: 2 Tone, benannt nach dem Label von The-Specials-Keyboarder Jerry Dammers, auf dem sowohl „The Specials“ als auch die erste Madness-Single erschien. Dieser 2 Tone war eine durch zeitgenössische britische Underground-Musik gefilterte Variation auf Ska und Rocksteady. Die jamaikanischen Off-Beats und gut gelaunten Bläsersätzen waren omnipräsent, vorgetragen wurden sie jedoch mit der Energie des Punk.

„Rude Boys“ zwischen Hedonismus und Gesellschaftskritik

Der größte Unterschied von Madness und The Specials findet sich in der Attitüde. Letztere deckten auf ihrem Debüt eine große Bandbreite an Emotionen und Themen ab: Der melancholische Opener „A Message To You, Rudy“, das schweißtreibende „Do The Dog“. Die zarte Gesellschaftskritik von „Doesn‘t Make It Alright“, das hektische „Monkey Man“. In „Stupid Marriage“ steht ein von der Wut gegen die Oberschicht zerfressener „Rude Boy“ wegen Vandalismus vor Gericht. In „Concrete Jungle“ traut sich der Protagonist nicht mehr durch nächtliche Gassen, angesichts des immer stärker werdenden Rassismus. „I have to carry a knife / Because there’s people threatening my life / I’m being chased by the National Front / I can’t dress just the way I want.“ Die Musik auf „The Specials“ ist pures Endorphin, doch die Texte sind ein bitterböses Porträt der britischen Gesellschaft der späten 70er-Jahre.

Hört man 40 Jahre später „One Step Beyond“, dann könnte man meinen, dass Madness einfach nur feiern wollten. Vom Uffta-Beat des Openers bis zum abschließenden Hooligan-Chor „Chipmunks Are Go“ lässt diese Band nicht viel Raum für Subtilität. Stattdessen ballert sie voll auf die Zwölf: Madness waren mehr Pop als Punk – und lassen auf dieser LP im Minutentakt Melodien erklingen, die sofort mitgröhlbar sind. Und selbst wenn die Band in „Razor Blade Alley“ die (sexuell) frustrierte Working Class analysiert, umrahmt sie diese Spitzfindigkeit mit dem fast schon krankhaft gut gelaunten „Bed And Breakfast Man“ und dem albernen Tschaikowski-Massaker „Swan Lake“.

Die 2-Tone-Ära bei ByteFM

So sind „One Step Beyond“ und „The Specials“ zwei sehr ähnliche und gleichzeitig höchst unterschiedliche Alben. Während The Specials in ihrer 2-Tone-Party subversive Gesellschaftskritik versteckten, lieferte die (übrigens im Vergleich zu The Specials ausschließlich mit weißen Musiker besetzte) Band Madness zutiefst eingängigen, aber leicht verdaulichen Hedonismus. Beide nahmen Busters musikalisches Grundgerüst – und verarbeiten es in komplett verschiedene Richtungen.

Mehr zur Ära des 2 Tone könnt Ihr am Sonntag, 20. Oktober 2019, um 11 Uhr in einer neuen Ausgabe von School Of Rock hören. ByteFM Moderator Christian Tjaben zeichnet in einem zweiteiligen Special die Geschichte des schwarz-weiß karierten EinwanderInnen-Sounds im Großbritannien der späten 70er-Jahre nach. Mit Musik von The Specials, The Selecter, Madness, The Beat und anderen.

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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