Tirzah – „Devotion“ (Album der Woche)

Tirzah – „Devotion“ (Album der Woche)

Tirzah – „Devotion“ (Domino)

Manchmal passiert die schönste Musik in den Zwischenräumen. Zum Beispiel in der ätherischen Stille zwischen zwei Klavieranschlägen. Oder in dem entwaffnenden Moment, wenn die Bassdrum einen Beat überspringt und nur noch das Kratzen der Plattennadel zu hören ist. James Blake wusste das, als er die schwerelosen Electronica-Balladen seines bis heute stilprägenden Debüts komponierte. Burial wusste das, als er für sein Meisterwerk „Untrue“ bis zur Zeitlupe verlangsamte Pop-Hooks über die nächtlichen Dancefloors Londons geistern ließ.

Auch Tirzah Mastin weiß um den Zauber der Zwischenräume. Die Musik der in Essex geborenen Künstlerin ist voll von ihnen: Ein Gesangssample, das ins Nichts verschwindet und nur Rauschen übrig lässt. Eine minimalistische Pianoballade, die so viel Raum zum Atmen lässt, dass der Atem einem fast im Halse stecken bleibt. Auf dem Papier funktionieren die Songs nach der Logik von Downtempo und R&B, doch in Wahrheit transzendieren sie ihr Grundgerüst.

Der Zauber der Zwischenräume

Die elf Songs ihres Debütalbums „Devotion“ entstanden aus einer langjährigen Zusammenarbeit mit Tirzahs Schulfreund*in Mica Levi, besser bekannt unter dem Namen Micachu. Levi, deren (oscarnominierte!) Soundtracks oftmals in gruselige Dissonanz abdriften, hat in der Sängerin ihren perfekten Gegenpol gefunden. Tirzahs sinnlicher wie zurückhaltender Gesang wird von ihr mit impressionistischen Klangflächen und zarten Beats umgarnt. Ein präziser Minimalismus zieht sich durch diese Instrumentals: Kein Ton wird verschwendet, alles dient dem Song und seiner Emotionalität. Ein Ansatz, den Tirzah auch in ihren Texten verfolgt: „I want your arms“, singt sie in „Go Now“ und bringt dabei mit nur vier Silben größtes Verlangen auf den Punkt.

Damit „Devotion“ in seiner Schwerelosigkeit nicht davonfliegt, haben Tirzah und Levi auch ein paar Überraschungen eingebaut: „Do You Now“ ist ein abgeklärter Trennungssong im Downtempo-Grime-Format. In „Holding On“ lässt Tirzah ihrer Vorliebe für UK-Bass freien Lauf. Und im Titeltrack des Albums fordert sie den einzigen Feature-Gast des Albums, den britischen Sänger und Produzenten Coby Sey, zu einem überraschend eingängigen Duett auf, begleitet von einer fröhlich springenden Klavierlinie. Tirzah kann nämlich beides: Die Zwischenräume singen lassen und große Pop-Songs schreiben.

Veröffentlichung: 10. August 2018
Label: Domino

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