Vince Staples – „Big Fish Theory“ (Rezension)

Cover des Albums Vince Staples – „Big Fish Theory“ (Def Jam)

9,3

Mit einem Augenzwinkern bezeichnete Vince Staples seine neueste Platte als afrofuturistisches Werk, denn „Big Fish Theory“ richtet den Blick in die Zukunft des US-amerikanischen HipHop. Das zweite Album des 23-jährigen Rappers sticht besonders durch seine schnellen, elektronischen Beats heraus, die mit Staples‘ gewohnt düsterer und pessimistischer Attitüde vollendet werden.

In seiner Jugend in Long Beach erlebte Staples Gangkriminalität, Gewalt und Perspektivlosigkeit, verlor Freunde und Verwandte. Vince Staples verkörpert das klassische Bild eines Gangsters, der es durch Musik geschafft hat, dem Elend zu entkommen. Eine Glorifizierung seiner Vergangenheit lehnt er dennoch ab. Stattdessen werden auf „Big Fish Theory“ Erfahrungen nüchtern und direkt wiedergegeben.

Der erste Song des Albums, „Crabs In A Bucket“, lässt zunächst nicht vermuten, dass es sich um eine HipHop-Platte handelt – eine Minute lang hört man Winde pfeifen, einzelne elektronische Soundfetzen blitzen auf, bis ein rasender Drum-’n’-Bass-Beat, produziert von Justin Vernon (alias Bon Iver), einsetzt und Vince Staples anschließend mit rastlosem Sprechgesang einem Unwetter gleich hereinbricht. Die Sängerin Kilo Kish schließt das düstere Gesamtbild mit ihrem hauchzarten Gesang ab.

Sofort wird klar, dass hier etwas ganz anderes passieren soll als beim Vorgänger „Summertime ’06“. Statt langsamer Schwermut prescht Staples diesmal mit schnellen und wütenden Raps über rhythmische Beats, die an Detroit House erinnern. Trotz kritischer und tiefgründiger Texte ist „Big Fish Theory“ jedoch kein Album, das man sich nur morgens still im Bus anhören kann, um misanthropische Bedürfnisse zu stillen. Vielmehr bieten viele Tracks das Potential, die nächsten Clubbanger zu werden, allerdings ohne klischeehaft zu wirken. Stattdessen werden Popelemente mit disharmonisch wirkenden Klängen fusioniert. In den meisten Songs besteht der Refrain aus repetitiven Zeilen, die sich stürmisch an das elektronische Gesamtbild schmiegen.

Schon oft wurde Vince Staples als Nachfolger von Kendrick Lamar bezeichnet, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass der 30-jährige Rap-Shootingstar für den Song „Yeah Right“ ein Feature beisteuert. Trotz weiterer berühmter Gäste wie Damon Albarn auf „Love Can Be…“ oder A$AP Rocky auf „Samo“ rückt Staples nie aus dem Mittelpunkt. Seine Features sind sehr abwechslungsreich ausgewählt und bleiben dezent platziert.

Auch wenn die musikalische Sozialisation durch die HipHop-Crew Odd Future nach wie vor deutlich herauszuhören ist, beweist Vince Staples die Ausprägung seines eigenen Stils und Freude daran, eigene Wege zu gehen. Auf „Big Fish Theory“ herrscht ein kontinuierlicher Druck, der ein bisschen weh tut, aber auch genauso viel Spaß macht.

Veröffentlichung: 23. Juni 2017
Label: Def Jam Recordings

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