Waxahatchee – „Out In The Storm“ (Rezension)

<Cover des Albums Waxahatchee – „Out In The Storm“ (Merge Records)

7,0

Ehrliche Zeilen aus unehrlichen Zeiten – die finden sich auf „Out In The Storm“, dem vierten Album, das die US-Amerikanerin Katie Crutchfield unter dem Alias Waxahatchee veröffentlicht. Das Indie-Rock Projekt der 28-Jährigen wurde 2010 ins Leben gerufen und trägt den Namen eines Flusses in ihrer Heimat Alabama, des Waxahatchee Creek.

Mit 13 lernte Katie Gitarre spielen und war danach Mitglied in verschiedenen Bands, darunter auch zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Allison Crutchfield als Duo in P.S. Eliot und der Rockband The Ackleys. Ihre musikalische Sozialisierung wurde schon früh durch den Non-Profit Club Cave 9 in ihrer Heimatstadt Birmingham/Alabama geprägt. Dort entdeckte sie durch Hardcore- und Punkbands viele verschiedene Spielarten der DIY-Kultur, die bis heute auf ihre Musik wirken.

Der Sound ihres Debütalbums „American Weekend“, welches 2012 auf Don Giovanni Records veröffentlicht wurde, ist durchströmt von dieser Zeit. Crutchfield schrieb und vertonte das gesamte Album innerhalb einer Woche selbstständig in dem Haus ihrer Eltern und kreierte damit einen unverwechselbaren Lo-Fi-Charakter. Für das zweite Soloalbum „Cerulean Salt“ lud sie dann schon zwei weitere Musiker zur Vertonung ein. Heute hat Waxahatchee den elterlichen Keller längst gegen ein Tonstudio eingetauscht und den Grad der Professionalität und Klangqualität auf „Out In The Storm“ nochmal merklich nach oben geschraubt. Wer jetzt befürchtet, dass dadurch der Crutchfield-typische Selfmade-Stil verloren gehe, kann beruhigt aufatmen: Auch wenn bei diesem Projekt mehr als nur zwei Hände mit angepackt haben, schafft es Katie immer noch ihren eigenen Sound durchhören zu lassen. Waxahatchee bleibt wie ein selbstgemachter Kuchen, mit viel Liebe gebacken.

Trotz aller Liebe ist ihr neues Album, im Gegensatz zu den Vorgängern, deutlich schroffer. Durch schnelle, gitarren-dominierte Arrangements wird viel mehr Chaos und Spannung erzeugt – gerade so, als befände man sich beim Hören selbst im Sturm. Das bisher offenste Album der Singer-Songwriterin klingt nach Befreiung einer selbstbewussten Frau, die ihre Teenie-Jahre voller Selbstmitleid hinter sich gelassen hat: „Im out in the storm and I’m never returning“, singt sie entschlossen auf dem Song „Silver“.

Textlich scheut sich Katie Crutchfield nicht davor, ihre Gedanken und Gefühle einem anonymen Publikum zu präsentieren und scheint damit auch einen mutigen Schritt auf sich selbst gemacht zu haben: Nachdem ihre letzte Platte „Ivy Tripp“ ein Album übers Erwachsenwerden war, verarbeitet sie auf „Out In The Storm“ nun ein Beziehungsende. Ihr Album sei „eine sehr ehrliche Platte über eine Zeit, in der ich nicht ehrlich zu mir selbst war“. Der authentische Eindruck könnte auch daher rühren, dass die Songs zusammen mit ihrer Band und Produzent John Agnello im Studio wie in einem Live-Setting aufgenommen wurden, um einen volleren Sound zu produzieren. Auch der Beitrag von Keyboard und Percussion ihrer Schwester Allison führt wahrscheinlich zu der intimen Stimmung auf dem Album. „Out In The Storm“ ist daher fast ein bisschen wie Tagebuch hören.

Auch wenn Waxahatchee mit ihrem Album neue Wege geht, bleibt es insgesamt musikalisch leider ziemlich gleichförmig und man vermisst ein wenig den einschlagenden Blitz in dem sonst sehr stürmischen Gesamtbild.

Veröffentlichung: 14. Juli 2017
Label: Merge Records

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