Wenn es dunkel wird im Club – die Renaissance von Minimal, Synth und Wave

Stimmungsvolles Bild einer Glühbirne

Berlin ist das Barometer. Zwar hört man zunehmend, Berlin sei nicht mehr „in“, aber dafür wollen noch immer ganz schön viele Menschen dorthin – zum Wohnen und Feiern. Und machen wir uns nichts vor: In Deutschland werden musikalische Entwicklungen weiterhin maßgeblich von Berlin aus bestimmt, selbst wenn das Berghain inzwischen sogar meinen Eltern ein Begriff ist. Das spielt aber auch eigentlich nicht wirklich eine Rolle bei dem, was dort gerade zu beobachten ist: Es wird dunkel auf dem Dancefloor.

Ästhetisch liegt das eigentlich nahe: Alte Industriegebäude (was ja letztlich auch das Berghain ist), die Clubs und Veranstaltungen gerne als Kulisse dienen, haben schon von sich aus eine düster-kalte Atmosphäre. Das ändert auch eine grelle Illumination nur bis zu einem gewissen Grad. Warum also nicht gleich die Musik daran anpassen?

Aber der Reihe nach: Schon seit gut zehn Jahren feiert auf düsteren Partys – der Begriff „Grufti-Party“ würde falsche Assoziationen wecken – tanzbare, elektronische Musik aus den 80ern ein Revival. Ihr glaubt, der Grufti (also doch!) von heute hört nur The Cure oder Joy Division? Weit gefehlt. In den Clubs der Szene läuft schon länger etwas, das „Minimal“ oder „Minimal Synth“ genannt wird oder auch „Minimal Wave“. Diese Mischung aus Synthie-Musik der 80er-Jahre, Italo-Disco und Elektro Wave zeigt sich deutlich von einem kalten, beatbetonten 80er-Sound beeinflusst. Wer einmal einen Fuß auf den Dancefloor einer solchen Party gesetzt hat, wird sich sicher gewundert haben, wie tanzbar diese Musik ist. So sehr, dass dieser Sound bei vielen DJs aus anderen Ecken Anklang findet und in ihre Sets mit einfließt. Umgekehrt werden die dunklen Partys tanzorientierter und elektronischer.

Zurück nach Berlin: Hier bringen es inzwischen vermeintliche Grufti-DJs zu DJ-Sets im Berghain. Ein Musiker aus der dunklen Szene wie Phase Fatale wird heute für Techno-Partys gebucht. Eine spannende Rolle spielt hier der Boiler Room. Boiler Room als Konzept wurde 2010 geboren: DJs werden in kleinen Locations beim Auflegen gefilmt, das Set dabei live gestreamt. Viele bekannte Leute haben mitgemacht: Sven Väth, Carl Cox, Jamie xx, Michael Mayer, Four Tet, Laurent Garnier, Ellen Allien usw. Die Berliner Ausgabe des Boiler Room ist dabei besonders experimentierfreudig. Kürzlich feierte dort das Label Aufnahme + Wiedergabe seinen fünften Geburtstag. Das Set von Label-Chef Philipp Strobel war besonders interessant. Er mischte Techno-Beats mit Minimal Synth und Songfetzen aus dem New Wave. Es gab sogar Samples von Bauhaus oder Anne Clark zu hören. Und es funktionierte hervorragend. Partys mit dieser ungewöhnlichen Mischung gibt es immer häufiger in Berlin, seien es Rituals oder Fleisch. Sogar die Namen passen sich da an.

Wem das zu underground ist, der kann eine ähnliche Entwicklung auch beim Mainstream finden – bei Westbam zum Beispiel. Sein bald drei Jahre altes Album „Götterstraße“ vereint nicht nur alte Sounds mit neuen, sondern wartet gleich mit diversen Künstlern aus den 80er-Jahren auf. Allerdings verwundert das kaum, wenn man weiß, dass Westbam selbst auch auf eine New-Wave-Vergangenheit zurückblickt. Und auch auf Ibiza tauchen Bands wie die jungen Briten Whilst auf. In ihrem Stück „Umgebung“ sind Minimal-Sounds tragendes Element.

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