Wie die Faust aufs Auge: Sophie Hunger in der Fabrik


Sophie Hunger, allerorts gehypte Senkrechtstarterin und vermutlich momentan erfolgreichster musikalischer Exportschlager der Schweiz, war am Wochenende zu Gast in der Hamburger Fabrik. Der Abend war wahrlich ein Erlebnis – und das schon vor Konzertbeginn.
Denn die Luft war merkwürdig aggressiv aufgeladen, nach dem Supportact drängten sich in der Umbaupause ständig Leute nach vorne, was zu Streitereien und fast zu einer Prügelei führte. Plötzlich schüttete jemand mit Bier um sich, „Schlampe“, maulte es zurück. Zu dieser Stimmung passte Sophie Hungers erstes Lied, ein akustisches Stück auf Schweizerdeutsch, das von Mord und Totschlag handelt, wie die Faust aufs Auge. Mit strenger Miene vorgetragen, als ob sie selbst dazu bereit sei, ohne einen Wimpernschlag zu töten. Welch krasser Gegensatz zum Supportact Kyrie Kristmanson, einer süß lächelnden Vokalakrobatin aus Kanada!

Sophie Hunger zog das Publikum in einen magischen Bann. Ihr Mienenspiel faszinierte, mal ironisch lächelnd, mal mit diabolischem Blick, mal hochkonzentriert, dann wieder merkwürdig entrückt und introvertiert. Jedes einzelne Lied sang sie mit einer solchen Hingabe, Ehrlichkeit und Glaubhaftigkeit, dass man, so wie sie, auch die ein oder andere Träne verdrücken musste.
Hunger spielte abwechselnd Klavier und Gitarre, beugte sich an ersterem wie eine verrückte Virtuosin vor und zurück, haute auf der letzteren bei manchen Stücken fast epileptisch in die Saiten.

In den wenigen Momenten, in denen sie mit leiser Stimme sprach, bewies sie Humor. Sie zeigte sich überrascht, dass so viele Leute gekommen seien. „Wir gucken 3sat“, kam eine Antwort zurück. „Ich weiß nicht was du meinst, ich habe keinen Fernseher.“ Kurze Pause. „Aber ich lebe ganz gut davon“. Lachend setzte sie noch einen drauf „Das wird mich noch was kosten!“

Eigentlich war Sophie Hunger krank an diesem Abend. Trotzdem sang sie mit unglaublicher Stimmgewalt, unterstützt vom Hintergrundchor ihrer vierköpfigen Band, die Hunger an musikalischem Können um nichts nachsteht. Man wurde durch das volle Spektrum aller erdenklichen Emotionen gejagt. Höhepunkt war das letzte Stück des regulären Programms, „Rise And Fall“ vom Album „Monday’s Ghost“. Eine monströse Klavierpartitur, die überging zu einem donnernden Männerchor und in einem todtraurigen Lied endete. Die Begeisterungsstürme führten zu zwei Zugaben und einem ruhigen Abschluss des Konzertes, das friedlicher endete als es begonnen hatte.

Die weiteren Termine, präsentiert von ByteFM:

18.10.10 – Darmstadt @ Centralstation
09.12.10 – Berlin @ Lido
28.01.11 – Dortmund @ Konzerthaus
30.01.11 – Lörrach @ Burghof

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.