Fontaines D.C. – „Romance“ (Rezension)

Von Conor Körber, 27. August 2024

Cover des Albums „Romance“ von Fontaines D.C.

Fontaines D.C. – „Romance“ (XL Recordings)

7,9

Lange war im Vorfeld einer Album-Veröffentlichung einer Rock-Band nicht so ein Raunen zu vernehmen wie im Fall von „Romance“, der mittlerweile vierten LP von Fontaines D.C. Schon weit vor dem Release konnte man Unkenrufe über ein Durchbruchsalbum oder den Schritt auf die ganz großen Bühnen hören bzw. lesen. Eine ungewöhnliche mediale Aufregung, wenn man bedenkt, dass es 2024 ist und Fontaines D.C. sich im für den Zeitgeist eher unbedeutenden Metier der Rockmusik bewegen.

Die Erwartungen an „Romance“ waren also denkbar hoch. Zunächst lässt sich wertfrei bemerken, dass es die Band aus Dublin deutlich verändert zeigt: Jeder der elf neuen Songs hätte sich auf ihrem Debüt „Dogrel“ wie ein absoluter Fremdkörper angefühlt – auf U2s „Achtung Baby“ aber nicht unbedingt. Schon die beiden Vorgängeralben waren jeweils starke Weiterentwicklungen, die die Band vom Post-Punk ihrer Anfangstage entfernten; trotzdem bewegten sie sich in einem wiedererkennbaren Soundkosmos. Dieser wird auf „Romance“ nun weitgehend verlassen bzw. erweitert.

Cinematisch, düster, paranoid

Erstmals in der Bandgeschichte wurde nicht mit dem Produzenten Dan Carey zusammengearbeitet. Stattdessen hat diesen Posten James Ford übernommen, der zuletzt Alben von Depeche Mode und The Last Dinner Party produziert hat. Die wichtigere Referenz ist aber, dass Ford seit Jahren der Hauptproduzent der Arctic Monkeys ist. Deren Hinwendung zu Streichern und dem Sound alter Hollywood-Filme findet sich auch auf „Romance“ wieder. Filme und deren Soundtracks – von Wim Wenders über Tarantino bis zum post-apokalyptischen Anime „Akira“ – waren laut Sänger Grian Chatten Hauptinspirationen des Albums. Das wird bereits im Opener und Titeltrack deutlich: Verhallte Percussion sowie ein bedrohlich klimperndes Keyboard erinnern an die Theatralik der irischen Post-Punk-Urväter Virgin Prunes und lassen eine Stimmung wie in einem David-Lynch-Film aufkommen. Passend dazu bewegt sich Grian Chattens Gesang irgendwo zwischen süßlich und psychopathisch, sodass Zeilen wie „I will be beside you, til you’re dead“ weitaus mehr beängstigend als romantisch wirken. Auch das folgende, im Wortsinne atemlose „Starburster“ verbreitet in seiner Gehetztheit und mit den beinahe gerappten Zeilen eine cinematische, düstere, paranoide Stimmung.

Wie ein kurzer Sonnenstrahl zwischen sehr dunklen Wolken wird diese dann durch den gesungenen und mit Streichern unterlegten Schlussteil konterkariert. Es ist ein Glanzstück in Sachen Songwriting und zeigt komprimiert, was das Leitmotiv für das gesamte Album ist: die Suche nach Inseln der Ruhe und Schönheit in einer gewalttätigen und durchkapitalisierten Welt. Oder anders ausgedrückt: nach dem nicht vorhandenen richtigen Leben im Falschen. Diese Suche findet in den Songs in zwischenmenschlichen Beziehungen, Betäubungen oder schlicht Träumen statt. „In The Modern World“ berührt gleich alle drei Motive. Die sich am Rande des Bombasts bewegende Ballade führt die Band am weitesten von ihrem bisherigen Sound weg. Filmstreicher, dunkle Gitarren und Chattens leicht klagender Vortrag vermitteln eine feierliche Endzeitstimmung, wie man sie eher auf einem Lana-Del-Rey-Album erwarten würde.

Von der Überforderung mit der „modern world“

In der Mitte des Albums platziert, ist der Song Herzstück und Wendepunkt: War das Album bis dahin sehr divers, folgen hier gleich vier Songs, die ohne große Ausbrüche zwischen ruhig-balladenhaft und Midtempo pendeln. Für sich genommen können auch sie weitgehend überzeugen; direkt hintereinander drosseln sie aber das Tempo der Platte etwas zu stark und führen zu einer gewissen Ermüdung. Songs wie „Motorcycle Boy“ oder „Sundowner“ wirken noch dazu etwas skizzenhaft und mehr auf die vermittelte Atmosphäre als auf den Song selbst konzentriert. Kurz vor Ende wird diese träumerische, aber auch etwas schleppende Atmosphäre vom angefressenen Garage-Rock von „Death Kink“ durchbrochen: Hier verlässt Chatten seine gesangliche Komfortzone, um sich in Tiraden zu steigern und irgendwann nur noch „Shit, Shit, Shit“ zu spucken. Nach diesem kurzen Aufbäumen findet das Album mit dem Jangle-Pop-Ohrwurm „Favourite“, der an The Cure in ihren besten Zeiten erinnert, seinen bitter-süßen Abschluss. Laut Texter Chatten ein Song über den endgültigen Rückzug von der Welt hin in die eigene Innerlichkeit. Passend zum Albumtitel also ein klassisches Motiv der Romantik.

Ein runder Abschluss für ein Album, das trotz einiger Längen die beeindruckende Weiterentwicklung einer der zurzeit wenigen popkulturell relevanten Rockbands zeigt. Die Unkenrufe im Vorfeld haben sich weitgehend bestätigt: Fontaines D.C. schaffen, was aktuell nur sehr wenigen Bands gelingt: trotz eines Sammelsuriums an musikalischen Referenzen von 90s-Alternative-Rock über Madchester und 80s-Pop einen eigenständigen Sound zu kreieren, ohne dabei rückwärtsgewandt zu klingen. Dazu kommt, dass sie in ihrer Musik mehr als oberflächliche Unterhaltung transportieren. Es ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Gegenwart, die es schafft, mit viel Empathie diffuse Gefühle von Überforderung und Überwältigung mit der „modern world“ auszudrücken.

Veröffentlichung: 23. August 2024
Label: XL Recordings

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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