This Mortal Coil – „It’ll End In Tears“ (4AD)
Wenn schon der zweite Track eines Erstlings als der prägendste einer acht Jahre währenden Bandgeschichte über Jahrzehnte in Erinnerung bleibt, und auch seinen Zauber nach 40 Jahren nicht verloren hat, ist das Konzept wohl aufgegangen. „Song To The Siren“ vom Debütalbum von This Mortal Coil hat bereits alle Ingredienzien, die einen nicht verblassenden Dreampop-Klassiker ausmachen.
Die Band war ein Musiker*innen-Kollektiv und eine Art Hausband, die Ivo Watts-Russell, Mitbegründer des britischen Labels 4AD, ersonnen hatte. Das Projekt bestand nur aus zwei offiziellen Mitgliedern, ihm und Keyboarder John Fryer. Sie arbeiteten mit einer Vielzahl von Künstler*innen zusammen, die der Plattenfirma verbunden waren. Darunter Elizabeth Fraser und Robin Guthrie von der schottischen Band Cocteau Twins und Lisa Gerrard von Dead Can Dance. Aber auch mit Gastmusiker*innen, wie Gordon Sharp von Cindytalk oder Howard Devoto, ehemals bei der Punkband Buzzcocks. 4AD wollte durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Musiker*innen ein Spannungsfeld erzeugen und etwas Neues und Experimentelles wagen.
Meilenstein des Dreampop
„It’ll End In Tears“ beginnt mit drei Coversongs, die den Originalen bedingt ähneln. Track eins und drei stammen von der Platte „Third“ der US-Rockband Big Star um Gitarrist Alex Chilton. „Kangaroo“, interpretiert von Sharp und dem Cocteau-Twins-Bassisten Simon Raymonde ist eine stimmungsvolle Adaption des Urmaterials. „Holocaust“, gesungen von Devoto, getragen von Streichern und Klavier lässt die offensichtlich deprimierende Stimmung ein wenig strahlen, wenn der Text nicht wäre: „Everybody goes. Leaving those who fall behind. Everybody goes. As far as they can, they don’t just care. You’re a wasted face. A sad eyed lie. You’re a holocaust.“
Der zweite Track, ein Cover des Larry-Beckett/Tim-Buckley-Songs „Song To The Siren“ sticht hervor und wird sich 101 Wochen in den UK Indie Charts halten. Mit seiner schwebenden Sanftheit, ergreifend vorgetragen von Elizabeth Fraser und instrumentiert von Gitarrist Robin Guthrie ist er der Trademark-Song des Albums und wird zum Dreampop-Meilenstein, dem sich noch andere Künstler*innen bemächtigen, wie mehrfach als Filmmusik, so bei „Lost Highway“ von David Lynch und in dem Fantasy-Filmdrama „In meinem Himmel“ von Regisseur Peter Jackson.
Es wird nicht nur Covermaterial verwendet, sondern auch Kompositionen der 4AD-Künstler*innen: solide, aber ein wenig abfallende, Instrumentalstücke wie „The Last Ray“ und „Barramundi“. Das von Lisa Gerrard gesungene „Dreams Made Flesh“ ist mit seiner Dringlichkeit ein weiterer Höhepunkt. Das optimistisch klingende „A Single Wish“ beschließt das Werk. Obwohl die Zeile: „You and I, alone here / You and I / It’ll end in tears“ etwas anderes andeutet. Für das Genre Dreampop war das Album der 4AD-Supergroup sicher eine Initialzündung und das Label 4AD ein Leuchtturm dieses Musikstils.
Mehr zum Album hört Ihr am 8. Oktober 2024 um 14 Uhr im ByteFM Magazin mit Lena Boßmann. Mitglieder unseres Fördervereins „Freunde von ByteFM“ können noch tiefer ins Cocteau-Twins-Universum eintauchen: In seiner Sendung School Of Rock befasste sich unser Moderator Christian Tjaben am 13. August 2022 sowie am 10. September 2022 eingehend mit der schottischen Band, die einen großen Anteil daran hatte, dass 4AD Anfang der 80er-Jahre zum stilprägenden Indie-Label wurde.
Veröffentlichung: 8. Oktober 1984
Label: 4AD