Sunflower Bean – „Twentytwo In Blue“ (Rezension)

Sunflower Bean – „Twentytwo In Blue“

Sunflower Bean – „Twentytwo In Blue“ (Lucky Number Music)

6,0

Manchmal geht alles ganz schnell. Kaum waren Nick Kivlen, Jacob Faber und Julia Cumming aus der Highschool und dem Teenager-Alter heraus, unterschrieben sie auch schon ihren ersten Plattenvertrag als Sunflower Bean. Es folgten eine EP, unzählige Konzerte und schließlich das Debütalbum „Human Ceremony“ (2016) – eine hybride Platte, mit der das Trio aus Brooklyn sämtliche musikalische Glanzlichter aus den vergangenen 60 Jahren ebenso wieder aufleuchten ließen, wie diese aufzufrischen. Damit haben sich die drei mit einem Schlag in die Herzen des internationalen Indie-Olymp katapuliert. Und auch die Kritik hört zu: Laut „Rolling Stone“ sind Sunflower Bean „NYC’s coolest young band“.

Die Erwartungen an das zweite Album der Psych- und Dream-Pop-Band kann man also getrost hoch ansetzen. Und eines sei gleich gesagt: So richtig spannend sind die elf Songs in musikalischer Hinsicht leider nicht. Dafür gibt es auf textlicher Ebene was zu entdecken.

Adoleszente Betrachtungen mit Blick auf das Zeitgeschehen

Aber der Reihe nach: „Twentytwo In Blue“ heißt die neue Platte von Sunflower Bean. Und „Blue“, dieser Ausdruck von Melancholie, schwingt in beinahe allen Titeln mit. Aber das Wort repräsentiert für die Band mehr: „A big blue open sky, or a big blue ocean or a hopefulness. I think that encapsulates the record: Us being 22 feeling this blue“, sagte Gitarrist und Sänger Nick Kivlen dem Magazin „Vinyl Me, Please“. Sunflower Bean drücken also ihre Betrachtungen und Empfindungen aus, was in der Spät-Adoleszenz erstmal nichts Ungewöhnliches ist. Wäre da nicht noch der Blick auf das aktuelle Zeitgeschehen, denn dadurch wird „Twentytwo In Blue“ neben einem gefühlvollen, auch zu einem politischen Album.

Allen voran der stampfende Song „Crisis Fest“, der sich um einen Generationenkonflikt in den USA dreht. Hier stehen sich Trump-Anhänger und eine Jugend, die etwas zu sagen hat, gegenüber: „2017 we know, reality’s one big sick show“ oder „If you hold us back, you know that we can shout”, heißt es da etwa. Der verträumte Titelsong „Twentytwo“, einer der wenigen, die im Ohr bleiben, bewegt sich thematisch zwischen Ängsten vor dem Altwerden und dem Jungsein in einer Gesellschaft, in der ein Hashtag wie „#metoo“ nötig ist. „I do not go quietly into the night that calls me, even when I’m alone“, singt Julia Cumming und paraphrasiert den walisischen Dichter Dylan Thomas, der im Original um seinen sterbenden Vater trauert.

Und da ist sie auch schon wieder, die melancholische Seite, die auch den Song „I Was A Fool“ bestimmt. Die poppige Ballade kam als Single schon im vergangenen November heraus, schwelgt im Herzschmerz und repräsentiert damit ganz gut den unerwähnten Rest des Albums. Denn viel mehr passiert hier sonst nicht: Die Songs wirken auf emotionaler und teils auch inhaltlicher Ebene, bleiben aber musikalisch so innovativ wie Zähneputzen.

Veröffentlichung: 23. März 2018
Label: Lucky Number Music

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