Knuspern Das Mädchen mit dem Lackledergesicht

Nini musste sich schon ihr ganzes Leben lang einiges anhören: „Glanzfresse“, „Spiegeleule“ oder „Ledertussi“ waren noch die harmloseren Beleidigungen. Das alles nur, weil ihre Mutter es nicht ertragen konnte, dass die grenzenlose Schönheit ihrer Tochter irgendwelche Vorteile bringen würde. Das Kind sollte es eigenständig zu etwas bringen, nur durch harte Arbeit und Talent.

Da Ninis Verkleidung überall für extremes Aufsehen sorgte, kümmerte sich aber niemand darum, was sie wirklich auf dem Kasten hatte. Dass sie fließend Japanisch und Ungarisch sprach, dass sie die 100 Meter in 9,3 Sekunden lief, dass sie nachts blind den Weg nach Hause fand – keiner wusste davon, denn die Gesichtsverhüllung war zu interessant.

Mit 24 hatte sie die Schnauze voll und verließ eines nachts überstürzt das Elternhaus. Ihr Vater war insgeheim sehr glücklich darüber, denn er haderte sehr mit den Strategien seiner Ehefrau. Heimlich steckte er seiner Tochter den Schlüssel für die vermaledeite Maske zu. In ihrer neuen Bleibe angekommen, kostete Nini endlich die Freiheit der kühlen Morgenluft auf der bloßen Haut.

Eine Wonne.