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Kramladen Hesse Goes Pop mit Volker Rebell

ByteFM: Kramladen vom 30.08.2012

Ausgabe vom 30.08.2012: Hesse Goes Pop mit Volker Rebell

Hesse goes Pop – Hermann Hesse in Pop & Rock

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, wer kennt sie nicht, diese berühmte Zeile aus Hermann Hesses nicht minder berühmtem Gedicht „Stufen“. Sie dürfte millionenfach in Poesiealben und Sammlungen von Sinnsprüchen zu finden sein. Texte von Hesse haben bleibende Spuren auch in der Pop- und Rockmusik hinterlassen. „Urahn der Popkultur“, „Gott der Hippies“, so hat man Hermann Hesse genannt. Tatsächlich war der vor 50 Jahren – um genau zu sein am 9. August 1962 – gestorbene Literatur-Nobelpreisträger der meistgelesene Autor in der Ära der Hippie-Gegenkultur zwischen 1967 und ’73. Vor allem die Beschäftigung Hesses mit fernöstlichen Weisheiten, Selbstfindung und Bewusstseinserweiterung machte ihn für die Jugendbewegung jener Zeit interessant. Kein anderer Schriftsteller wurde in der psychedelischen Rock- und Hippie-Szene so oft zitiert wie Hesse. Carlos Santana entlehnte seinen Albumtitel „Abraxas“ (1970) dem Hesse-Roman „Demian“. John Kay, der Sänger der 1967 in Los Angeles gegründeten Band Steppenwolf, die sich nach dem gleichnamigen Hesse-Roman von 1927 benannte, beschrieb in einem Interview seine inhaltliche Nähe zu Hermann Hesse so: „Er lehnt die Normen der Mittelklasse ab und dennoch versucht er, ihnen gemäß sein Glück zu finden – genau wie wir.“ Das Roman-Thema, der Konflikt zwischen dem angepassten, kritikwürdigen, aber angenehmen bürgerlichen Leben und dem Ausbruch in die Gegenwelt von Rausch, Freiheit und Sinnlichkeit, überschattet von der Gefahr der Einsamkeit und Selbstzerstörung, beschäftigte auch die britische Acid-Rockgruppe Hawkwind in ihrem 1976 veröffentlichten Rock-Epos mit dem Titel „Steppenwolf“. Und auch Peter Maffay griff das Thema „Steppenwolf“ für sein gleichnamiges Album des Jahres 1979 auf. Die Artrock-Suite „Close To The Edge“ der britischen Progressive Rock-Band Yes von 1972 bezog sich inhaltlich auf Hesses Erzählung „Siddhartha. Eine indische Dichtung“. Das philosophische Märchen „Piktors Verwandlungen“, das Hermann Hesse 1922 schrieb, diente der deutschen Artrock-Gruppe Anyone’s Daughter als Vorlage für ihr gleichnamiges Album von 1981, das als Klassiker des deutschen Progressive Rock gilt. Das aktuelle deutsche Elektropop- und Singer/songwriter-Duo Glasperlenspiel benannte sich nach dem gleichnamigen Roman von Hermann Hesse aus dem Jahre 1943. 2009 interpretierten Die Toten Hosen das Hesse-Gedicht „Im Nebel“. „Seltsam, im Nebel zu wandern, Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.“ So lautet die letzte Strophe des berühmten Hesse-Gedichts, das auch von Matthias Habich rezitiert und von Schönherz & Fleer vertont wurde für das „Hesse-Projekt – Die Welt unser Traum“.
Heiterkeit ohne Dauer, / Stern, der ins Dunkel fällt: / Schleier von Schönheit und Trauer / Über dem Abgrund der Welt.“ Die Schauspielerin Juliane Köhler rezitiert diese Zeilen aus dem Hesse-Gedicht „Kleiner Gesang“. Dazu spielen Akkordeon, Bassklarinette und Flügel eine schöne, melancholische Begleitung, die sowohl heitere Gelassenheit ausdrückt als auch von den Abgründen weiß. Wie wird man den teils romantischen und spirituellen, teils strengen und philosophischen Gedichten und Prosatexten von Hermann Hesse als Musiker, Arrangeur und Komponist gerecht? Mit dieser Frage hat sich das Musiker-Duo Richard Schönherz und Angelika Fleer lange und konstruktiv beschäftigt. Das Ergebnis ihrer ambitionierten musikalischen Hesse-Bearbeitung zwischen Klassik, Weltmusik und Pop erschien im März 2007 unter Beteiligung einer Riege namhafter Schauspieler/Sprecher und Musiker, darunter Ben Becker, Matthias Habich, Roger Willemsen, Annett Louisan, Xavier Naidoo, Andreas Vollenweider, Ali Neander u.a.

„Wo wir etwas finden, das wie Musik ist, da müssen wir bleiben; es gibt im Leben gar nichts andres zu Erstrebendes als das Gefühl der Musik, das Gefühl des Mitschwingens und rhythmischen Lebens, der harmonischen Berechtigung zum Dasein.“ Diesen Hesse-Text spricht die große alte Diva Caterina Valente und Till Brönner spielt dazu elegisch auf dem Flügelhorn – einer der Höhepunkte des Hesse-Projekts.

Orientierung in der Sinnsuche von Generationen lieferten Hesse-Texte wie der folgende: „Jede Erscheinung auf Erden ist ein Gleichnis, und jedes Gleichnis ist ein offenes Tor, durch welches die Seele, wenn sie bereit ist, in das Innere der Welt zu gehen vermag, wo du und ich und Tag und Nacht alles eins sind.“ Diese Zeilen spricht der Schauspieler Matthias Habich im Hesse-Projekt trocken, ohne musikalische Begleitung. Im Zusammenhang mit Hesse-Lyrik scheint die Musik für Schönherz & Fleer auch Grenzen zu haben. Die Fortsetzung der lyrischen Hesse-Vertonungen erschien 2009 mit dem Album „Hesse Projekt: Verliebt in die verrückte Welt“.
Der nuschelnde Mann mit dem Hut sieht das anders mit den Grenzen der Musik. Er animiert seit 2006 alljährlich Nachwuchsmusiker jeglicher Couleur in einem Wettbewerb, Hesse-Texte musikalisch zu bearbeiten. „Und nun liest er ein Buch von Hermann Hesse / Und nun macht er Meditation“, sang der Deutsch-Altrocker Udo Lindenberg schon 1973 in seinem Liedklassiker „Er wollte nach London“. 2008 veröffentlichte Lindenberg, der sich selbst „als ein kleiner Bruder von Hermann Hesse sieht“ – wie er sich in einem Interview 2010 in spiegel-online nicht unbescheiden äußerte, das Lesebuch „Mein Hermann Hesse“. Warum? „Bei Hermann Hesse fühle ich mich zuhause. Er war mir schon lange nah, und es wäre sicher manches anders gelaufen ohne ihn. Schon in jungen Jahren wurde er ein großer Inspirator für mich, der wichtige Impulse und Orientierungen setzte. Seine Haltung gegen Militarismus, Nationalismus und den ganzen mörderischen, unmenschlichen Wahn und seine Vorstellung vom eigenen Weg – das kam bei mir schon früh an. Keinem anderen Schriftsteller fühle ich mich deshalb so verbunden.“ Zwei Jahre zuvor gründete Udo Lindenberg in Hesses Heimatstadt Calw eine Stiftung, die unkonventionelle junge Musiker fördert und das Werk Hesses mit Musik verbindet. Beim diesjährigen Hermann Hesse-Festival am 7. Juli in Calw stand Udo Lindenberg mit seinem Panikorchester auf der Bühne und rief Hesses Botschaft, reduziert auf drei Worte, ins Publikum: „Mach dein Ding!“

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Playlist

1.  L. Shankar / Darlene
Touch Me There / Zappa Records
2.  The Doors / Strange Days
Strange Days / Elektra, Rhino
3.  Santana / Black Magic Woman
Abraxas / CBS
4.  Schönherz & Fleer Feat. Ben Becker / Abends
Hesse Projekt „Die Welt Unser Traum“ / Der Hörverlag
5.  Schönherz & Fleer Feat. Gottfried John / Manchmal
Hesse Projekt „Verliebt In Die Verrückte Welt“ / Der Hörverlag
6.  John Kay / To Be Alive
Heretics & Privateers / Crosscut Records, Edel Contraire
7.  Hawkwind / Steppenwolf
Astounding Sounds, Amazing Music Emporium / Charisma
8.  Schönherz & Fleer Feat. Robert Stadlober / Leb Wohl Frau Welt
Hesse Projekt „Verliebt In Die Verrückte Welt“ / Der Hörverlag
9.  Hermann Hesse / Ballade Vom Klassiker
Tractat Vom Steppenwolf & Nachlass-Gedichte / Heliodor
10.  Udo Lindenberg / Er Wollte Nach London
Alles Klar Auf Der Andrea Doria / Teldec
11.  Schönherz & Fleer Feat. Matthias Habich / Im Nebel
Hesse Projekt „Die Welt Unser Traum“ / Der Hörverlag
12.  Anyone’s Daughter / Pictor
Piktors Verwandlungen / Tempus Fugit, Inside Out, SPV