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Kramladen Die Beatles vor 50 Jahren

ByteFM: Kramladen vom 21.11.2013

Ausgabe vom 21.11.2013: Die Beatles vor 50 Jahren

Die Beatlemania beginnt mit „With The Beatles
Und: das neue Doppelalbum „The Beatles On Air - Live at the BBC, Vol. 2” ist gerade erschienen

Ende 1963 schreiben die Beatles Geschichte – mit durchschlagendem kommerziellem Erfolg, unvergleichlicher Fanbegeisterung und mit Können von besonderer Klasse. Ihr zweites Album „With The Beatles“, das am 22. November 1963 erscheint, und die beiden Singles „She Loves You“ (23. August 1963) und „I Want To Hold Your Hand“ (29. November 1963) brechen alle damaligen Rekorde und lösen ein Beben in der Popszene aus, dessen Nachhall noch heute nachwirkt.

Die Fanhysterie der Beatlemania, die damals mit überschäumender Macht aufbrandet, ist das eine Phänomen, das andere, weit aus wichtigere, ist die musikalische Qualität einiger der frühen Songpreziosen. Neben dem überrumpelnden, mitreißenden Sound, der in der damaligen Beat-Szene der Nach-Rock’n’Roll-Ära einmalig ist, sind es vor allem die fantastischen Gesangsleistungen der beiden Hauptsänger John und Paul und die – für damalige Verhältnisse – herausragenden dreistimmigen Vokalsätze (unter Einbeziehung von George Harrison), die in jener Zeit Maßstäbe setzen.

Genauso wie die unverwechselbaren, musikalisch durchaus anspruchsvollen und dennoch so überaus populären kompositorischen Ideen bei einigen dieser frühen Songs. Die Texte sind inhaltlich noch sehr bescheiden und eher vernachlässigbar, nicht aber die originelle Melodik und erst recht nicht die überaus kreative Harmonik in vielen Lennon/McCartney-Kompositionen jener Zeit.

Überfallartig euphorisierend bricht der „She Loves You“-Refrain gleich zu Beginn über die Zuhörer herein, der Schlachtruf „Yeah Yeah Yeah“ emotionalisiert sofort durch die gesangliche Leidenschaft mit der diese banale Silbenwiederholung mit Verve herausgeschleudert wird. „Mit seiner explodierenden Energie in den Stimmen und dem hämmernden Schlagzeugbeat“ donnert der Refrain „wie eine Herde durchgehender Pferde vorüber“, schrieb der Buchautor Mark Heertsgard zutreffend. Die Harmonik der Strophen ist durchaus reizvoll mit einem für die Tonart G-Dur überraschenden C-Mollakkord, der später auch den „Yeah Yeah Yeah“-Refrain mit einem verblüffenden Break unterbricht. Der gesamte Ausdruck des Songs „hat etwas fiebrig Enthusiastisches: Sie liebt dich, sei kein Idiot – entschuldige dich und sei wieder glücklich.“ (Heertsgaard)

Der Eröffnungssong des Albums „With The Beatles“, der hauptsächlich von John geschriebene und gesungene Titel „It Won’t Be Long“ ist ähnlich mitreißend angelegt, wenn Vorsänger John im ständigen Ruf-Anwort-Wechsel von aufpeitschenden „Yeah“-Zwischenrufen in seinem Wunsch, es möge nicht mehr lange dauern, bis er endlich wieder mit ihr vereint ist, forciert unterstützt und angefeuert wird. Die Harmonik des Songs übersteigt alles, was damals in normalen Popsongs üblich war. Wer hätte damals in einem Song, der in der Tonart E-Dur steht, verblüffende Akkorde wie cis-Moll, Dis-Dur, Cis-Septime und fis-moll7 eingebaut. Und dann der akkordische Abgang zum Abschluss im Ritardando über G6, Fis7, F7+ zu E7+ - so etwas machten vielleicht gewiefte Jazzer, aber doch keine normalen Beatmusiker. Und genau das ist der Punkt: Lennon-McCartney hatten sich bereits Ende 1963 zu originellen Songschreibern mit ambitionierten und raffinierten kompositorischen Ideen entwickelt.

Pauls wunderschönes Liebeslied „All My Loving“ glänzt durch eine großartige Melodie und eine Harmoniedichte, die jedem anderen Beatsong-Schreiber damals für drei bis vier verschiedene Songs gereicht hätte. Johns, im doppelten Tempo gespielte Rhythmusgitarre verleiht dem halbschnellen, romantischen Liebeslied eine rock’n’roll-ähnliche Energieaufladung.

Ein noch aufregenderer Song gelang John und Paul mit ihrer Single „I Want To Hold Your Hand“, dessen knackiger Gitarrensound der einleitenden Akkorde schon Signalcharakter hatte, aber dann mit einer anknipsenden Melodieführung zum Clou des Songs führt, dem emotional aufputschenden Oktavsprung auf der Silbe „hand“ im Refrain, gefolgt von einer atemberaubend phrasierten, zweistimmig absteigenden, wunderbar verschnörkelten Chormelodie auf der Widerholung des Wortes „hand“. Der zurückhaltendere, ruhigere Zwischenteil „and when I touch you ...“ mit seiner besänftigenden Ausstrahlung steht in spürbarem Kontrast zur temperamentvoll zupackenden Atmosphäre der Strophen und dem jubilierenden Refrain, dessen aufpeitschender Höhepunkt deutlich hörbar macht, dass es hier nicht nur ums brave Händchenhalten geht.

Die Rückseite der Single stellt ein wunderbares Gegengewicht zu der aufgekratzten Stimmung und geballten Musikenergie von „I Want To Hold Your Hand“ dar. Die mehrstimmig gesungene Ballade „This Boy“ darf als erstes kompositorisches Glanzstück von John Lennon bezeichnet werden. Der dreistimmige Satzgesang von John, Paul und George fügt sich perfekt zusammen und erlaubt sich in aller Stimmigkeit immer wieder reibungsvolle Intervalle, die durchweg sauber intoniert und fein ausbalanciert sind. Im Mittelteil steigt Johns Solostimme mit emphatischem Ausdruck in höchste Töne und gibt seinem Gesang die für ihn typische emotionale Färbung zwischen Schmerz, Sehnsucht und Leidenschaft.

Dieser allgemein unterbewertete Song „This Boy“ findet sich als Live-Fassung auch auf dem gerade veröffentlichten Doppel-Album „The Beatles On Air Live at the BBC, Volume 2“. Auch die überragenden, schon genannten Klassiker jener Zeit „I Want To Hold Your Hand“ und „She Loves You“ sind hier enthalten und es überrascht, wie nah diese Live-Aufnahmen für das BBC-Radio in ihrer klanglichen, spiel- und gesangstechnischen Ausformung an die Studioaufnahmen herankommen. Die meisten dieser Einspielungen belegen, dass die Beatles eine außergewöhnlich gute Liveband waren.

Neben ein paar mehr oder minder witzigen Radiogesprächen mit den Fab Four enthält das neue Doppelalbum als Überraschung auch ein paar Song-Raritäten, so etwa eine Liveaufnahme des Chuck Berry-Songs „I’m Talking About You“, Little Richards „Lucille“, Carl Perkins’ „Lend Me Your Comb“, Ray Charles’ „I Got A Woman“ und „The Hippy Hippy Shake“ von der Liverpooler Kollegen-Band The Swinging Blue Jeans. Das alles sind weder vom Songmaterial noch von der Ausführung her musikalische Offenbarungen, die man unbedingt gehört haben muss, doch die Spielfreude und Begeisterung der Fab Four ist in diesen Liveaufnahmen vernehmbar konserviert.

Der Kramladen feiert in dieser Stunde die packende und ansteckende frühe Phase der Beatles vor 50 Jahren.

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Playlist

1.  L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik)
Touch Me There / Zappa Records
2.  The Beatles / Hippie Hippie Shake
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
3.  The Beatles / I Feel Fine
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
4.  The Beatles / I’m Talking About You
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
5.  The Beatles / Beautiful Dreamer
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
6.  The Beatles / Happy Birthday Dear Saturday Club
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
7.  The Beatles / From Me To You
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
8.  The Beatles / Twist And Shout
Anthology 1 / Apple
9.  The Beatles / I Want To Hold Your Hand
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
10.  The Beatles / This Boy
Anthology 1 / Apple
11.  The Beatles / She Loves You
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
12.  The Beatles / I’ll Get You
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC
13.  The Beatles / It Won’t Be Long
With The Beatles / Parlophone EMI
14.  The Beatles / All I’ve Got To Do
With The Beatles / Parlophone EMI
15.  The Beatles / All My Loving
With The Beatles / Parlophone EMI
16.  The Beatles / Bbc-Montage
On Air – Live At The BBC Volume 2 / Apple, Universal, BBC