Sendungen

Kramladen Neues aus der Vergangenheit

ByteFM: Kramladen vom 31.07.2014

Ausgabe vom 31.07.2014: Neues aus der Vergangenheit

Drei Neuerscheinungen von alten Helden stehen im Mittelpunkt dieser Kramladenausgabe: die bemerkenswerte CD "NOW" von Chicago, die enttäuschende CD "Heaven & Earth" von Yes und das hörenswerte Tribute-Album "The Breeze - An Appreciation of J.J. Cale" von Eric Clapton & Friends.

Im exklusiven Interview mit Chicago erzählt Gründungsmitglied, Trompeter, Songschreiber und Sänger Lee Loughnane über die neue Produktionstechnik der Band ohne Studio, dafür mit einem mobilen Aufnahmesystem, das der Band Songaufnahmen überall ermöglicht, also auch in Hotelzimmern unterwegs auf Tour. Genauso ist das neue Album während der Tourneen entstanden. Das Endergebnis ist beeindruckend, sowohl klangtechnisch als auch vom musikalischen Inhalt her. Für Lee Loughnane liegt die Zukunft der Plattenaufnahmen in diesem System, nicht nur für seine Band Chicago. Im Interview räumt er auch mit der historisch falschen Darstellung auf, die damalige Konkurrenzband Blood, Sweat & Tears hätte 1968 den Bläser-Jazzrock erfunden. Deren Debütalbum sei nur früher auf den Markt gekommen als das erste Album von Chicago (die damals noch unter dem Namen Chicago Transit Authority firmierte). Doch die erste jazz-orientierte Rockband mit Bläsern sei seine Band gewesen, erklärt Lee Loughnane mit Nachdruck (und erzählt vom "Ideen-Diebstahl" des B,S&T-Gründers Al Kooper). Über den herausragenden Song des neuen Albums "Naked In The Garden Of Allah" berichtet der Songschreiber Robert Lamm, Gründungsmitglied und Sänger von Chicago, nur, dass er von einem marokkanischen Musiker, der in einem New Yorker Restaurant auftrat, zu diesem Song inspiriert worden sei. Lee Loughnane erläutert ausführlicher, dass Robert Lamms Gedanken über "Desert Storm", den Krieg der Amerikaner gegen Saddam Husseins Irak, in den Songtext eingeflossen seien. Lee Loughnane äußert zwar starke Bedenken gegenüber der US-amerikanischen Auslandspolitik, was ihn aber nicht davon abhält, für das neue Chicago-Album eine patriotische Hymne zu schreiben ("America is free, America is you and me"), die unsereinem nur befremdlich erscheint ob des patriotischen Fahnen-schwenkens.

So erfreulich das restliche Songmaterial des neuen Chicago-Albums "NOW" ist (großartig das Titelstück "Now", brillant der jazzige Rocksong "Free At Last"), so irritierend bis enttäuschend ist das neue Album "Heaven & Earth" von Yes. Die britische Artrock-Institution, die in den siebziger Jahren zur Speerspitze des kunstvollen, progressiven Rock gehörte, verspielt einen Großteil ihres Renommees mit zwei/drei abgrundschlechten Songs des 8 Titel umfassenden neuen Albums. Kein einziger der neuen Songs von "Heaven & Earth" erreicht die musikalische Klasse von frühen Alben wie "Fragile" oder "Close To The Edge" - auch nicht der beste Song des Albums, das 9-minütige Progrock-Epos "Subway Walls", doch die mediokren Titel "Step Beyond" und "The Game" mit ihren Kinderlied-Melodien und schlagerhaften Harmonien erschüttern geradezu den Glauben an die Selbstkritikfähigkeit der Yes-Musiker. Wahrscheinlich muss man sich damit abfinden, dass die inzwischen auch schon betagten ehemaligen Artrock-Heroen mit Kreativitätsschwund und Ideenverlust zu kämpfen haben, und dass sie es nach 45 Jahren Band-Geschichte nun vorziehen, sich im Mainstream-Pop gemütlich einzurichten.

Songs des im vergangenen Jahr verstorbenen Laidback-Gitarren-Genius J.J. Cale hat sein glühendster Verehrer Eric Clapton gemeinsam mit prominenten Kollegen für ein Tribute-Album neu aufgenommen und herausgebracht. Clapton hatte schon in den 70er Jahren seine eigene Solokarriere mit den beiden Cale-Songs "After Midnight" und "Cocaine" befeuert - und soll mit diesen beiden Hits auch für reichlichen Tantiemenstrom in die Taschen von J.J. Cale gesorgt haben. Obwohl, es waren keine Taschen und erst recht kein Bankkonto, wohin die Tantiemen angeblich geflossen sind. Will man der Legende glauben, habe J.J. Cale seine ganz Barschaft in einen Wand-Hohlraum seiner Behausung gesteckt. Wie dem auch sei, auch wenn J. J. Cale selbst nun nichts mehr davon hat, für weiteren Tantiemen-Zufluss wird das Tribute-Album "The Breeze" schon sorgen. Der Albumtitel "The Breeze" kommt von der Refrainzeile des J.J. Cale-Songs "They call me the breeze", einem Song aus seinem berühmten Album "Naturally" von 1972. Der Untertitel des Tribute-Albums von Clapton and Friends lautet: "An Appreciation of J.J. Cale". Die Würdigung ist gelungen. Anteil daran haben neben Eric Clapton die Mitstreiter Mark Knopfler, Tom Petty, John Mayer, Willie Nelson und zwei Cale-Vertraute, zum einen Don White, ein Musiker aus Tulsa, der Heimatstadt von J.J. Cale und zum anderen Christine Lakeland, eine profunde Gitarristin und Sängerin, die mit J.J. Cale privat verbunden war und auf der Bühne, bei Konzerten, oft neben ihm stand. Wirklich Neues und Ungehörtes können die neuen Songinterpretation von Clapton & Co den Cale-Klassikern nicht abgewinnen, doch sie animieren dazu, die Originalaufnahmen des "Virtuosen der Gelassenheit", wie J.J. Cale genannt wurde, endlich mal wieder zu genießen.

Kommentare

(Noch keine Kommentare)
Eingeloggte "Freunde von ByteFM" können Kommentare hinterlassen.

Playlist

1.  L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik)
Touch Me There / Zappa Records
2.  Morrissey / Earth Is The Loneliest Planet
World Peace Is None Of Your Business / Capitol, Universal
3.  Midge Ure / Are We Connected
Fragile / Hypertension Music
4.  Yes / Believe Again
Heaven & Earth / Frontiers, Soulfood
5.  Yes / Step Beyond
Heaven & Earth / Frontiers, Soulfood
6.  Yes / The Game
Heaven & Earth / Frontiers, Soulfood
7.  Chicago / Now
NOW / Frontiers Records, Soulfood
8.  Chicago / Naked In The Garden Of Allah (Bläsersatz)
Mitschnitt der Probenarbeit / privat
9.  Chicago / Naked In The Garden Of Allah
NOW / Frontiers Records, Soulfood
10.  Chicago / America
NOW / Frontiers Records, Soulfood
11.  Chicago / Free At Last
NOW / Frontiers Records, Soulfood
12.  Eric Clapton / Don't Wait (Feat. John Mayer)
The Breeze - An Appreciation of J.J. Cale / Surf Dog, Universal
13.  Eric Clapton / Magnolia (Feat. John Mayer)
The Breeze - An Appreciation of J.J. Cale / Surf Dog, Universal