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Kramladen D.I.Y. - Musiker, die alles selber machen - wie der fabelhafte Jacob Collier

ByteFM: Kramladen vom 14.07.2016

Ausgabe vom 14.07.2016: D.I.Y. - Musiker, die alles selber machen - wie der fabelhafte Jacob Collier

Nerd, Autist oder Genius? Wie soll man einen jungen Mann nennen, der noch bei seinen Eltern wohnt, sich Monate lang in seinem mit Instrumenten voll gestopften Zimmer einschließt, alles selber macht, unzählige Instrumente spielt, Sounds kreiert, Haupt- und Chorstimmen einsingt, Hunderte von Aufnahmespuren übereinander legt, alles selbst arrangiert, abmischt und produziert und am Ende mit einem grandiosen Debüt-Album, genannt „In My Room“, aus seinem Spielzimmer wieder herauskommt? Der 21-jährige Londoner Jacob Collier ist womöglich in gewissem Maße ein Nerd, ist absolut kein Autist, wahrscheinlich eher ein Wunderkind-Genius, auf jeden Fall ist er ein hochbegabter Multiinstrumentalist, Sänger, Sound-Designer, Songschreiber und Performer. Und das verblüffende Phänomen an diesem jungen Musik-Genius ist, dass er nicht nur viele Stimmen singt und diverse Instrumente zu spielen versteht, was und wie er es macht, ist hochgradig beeindruckend: er singt hervorragend und spielt alle Instrumente, von Klavier/Keyboard/Akkordeon über Gitarre/Mandoline/Ukulele und Stand-/E-Bass bis Schlagzeug und mannigfaltige Perkussionsinstrumente mit großem Können – Klavier spielt er gar virtuos und Gitarre wie Bass exzellent.
Bekannt wurde Jacob Collier durch seine Videos im Internet. Schon als 17-jähriger produzierte er in seinem Zimmer eine aufwändig im Multiplaybackverfahren aufgenommene Coverversion des Stevie Wonder-Songs „Don’t You Worry ’Bout A Thing“, sang 6-stimmig mit sich selbst, spielte noch etliche Instrumente ein und veröffentlichte seinen Videoclip im Split-Screen-Verfahren auf YouTube. Der Clip, in dem man Jacob Collier als Performer mit all seinen Chorstimmen und Instrumenten gleichzeitig im Bild sehen kann, wurde über 1.5 Millionen Mal angeklickt, was den berühmten Produzenten Quincy Jones auf ihn aufmerksam machte, der schließlich die Neuentdeckung Jacob Collier unter Vertrag nahm.
Jazz als Überbegriff passt besser als Rock oder Pop, um die eklektische Musik von Jacob Collier zu kategorisieren. Seine komplexen Vokalarrangements, die manchmal wie eine Mischung aus Manhattan Transfer und Bobby McFerrin klingen, und seine Neigung zu ausdifferenzierter Harmonik, wie man sie von Chick Corea und Herbie Hancock kennt –¬ beide sind übrigens erklärte Bewunderer von Jacob Collier – drängen seine Musik stilistisch logischerweise in Richtung einer Jazz-Einordnung, aber da sind auch Elemente aus Funk, Artpop, Fusion und Soul zu hören. Und plötzlich glaubt man ein Zitat von Frank Zappa oder Prince entdeckt zu haben und wundert sich über den Einfallsreichtum und die musikalische Akribie des neuen „Messias des Jazz“ (The Guardian), das „achte Weltwunder“ (Incognito) namens Jacob Collier.
Sein am 1. Juli veröffentlichtes Debütalbum „In My Room“ widmete er unter anderem seinem „wunderbaren Zimmer“ (Liner Notes), in dem all die fantasievollen und bei aller Komplexität nicht verkopften und stets gut hörbaren Aufnahmen entstanden sind. Das Titelstück ist seine brillante Neufassung des gleichnamigen Songs von Brian Wilson, 1963 geschrieben für das Beach Boys-Album „Surfer Girl“. Brian Wilson spielt übrigens selbst verschiedene Instrumente und nahm sein Solo-Debütalbum von 1988 fast im Alleingang auf, nur das Schlagzeug spielte damals ein Studiomusiker. Dass Popmusiker alles selber machen und ganze Plattenaufnahmen quasi als Band in Personalunion alleine bewältigen, das hat eine lange Tradition in der Popgeschichte. Einer der ersten Multiinstrumentalisten, der seine Plattenaufnahmen (fast) alleine durchzog, war Todd Rundgren. Weitere Musiker, die etliche ihrer Produktionen in Eigenregie ohne weitere Begleitung aufnahmen, waren unter anderem Paul McCartney, Stevie Wonder, Prince, John Fogerty, Steve Winwood, Lenny Kravitz, Sufjan Stevens etc.
Ein paar der großen Multiinstrumentalisten der Popgeschichte sollen zu hören sein, doch im Mittelpunkt dieser Kramladen-Ausgabe steht das fulminante Debüt-Album „In My Room“ des erst 21-jährigen überragenden Do-It-Yourself-Musikers und neuen Wunderknaben mit dem musikalischen Füllhorn Jacob Collier.

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Playlist

1.  L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik)
Touch Me There / Zappa Records
2.  Jacob Collier / Hajanga
In My Room / Membran Media
3.  Jacob Collier / Down The Line
In My Room / Membran Media
4.  Paul McCartney / Promise To You Girl
Chaos And Creation In The Backyard / Parlophone
5.  Jacob Collier / Hideaway
In My Room / Membran Media
6.  Stevie Wonder / Rain Your Love Down
Conversation Peace / Motown
7.  Jacob Collier / Woke Up Today
In My Room / Membran Media
8.  Prince / Emancipation
Emancipation / NPG Records
9.  Jacob Collier / In My Room
In My Room / Membran Media