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Kramladen Bob Dylan – Sänger/Songschreiber oder singender Literat?

ByteFM: Kramladen vom 01.12.2016

Ausgabe vom 01.12.2016: Bob Dylan – Sänger/Songschreiber oder singender Literat?

Oder: Warum Bob Dylan den Literaturnobelpreis nicht verdient hat.

Am 10. Dezember wird in Stockholm der Nobelpreis für Literatur an einen Künstler verliehen, der durch Abwesenheit glänzen wird. „Andere Verpflichtungen“, so ließ er verlauten, würden ihm seine persönliche Anwesenheit während der Zeremonie leider unmöglich machen. Für Irritation hatte zuvor schon gesorgt, dass Dylan zwei Wochen lang nicht auf die Ankündigung der Verleihung reagierte. Er war für das Nobelpreis-Komitee telefonisch nicht erreichbar und ließ alle Welt im Unklaren, ob er den Preis überhaupt annehmen werde. Dies ist inzwischen gesichert. Ungewiss blieb allerdings, wann er die Bedingung für die Zuerkennung des Preises erfüllt, eine Rede vor der Schwedischen Akademie in Stockholm innerhalb von sechs Monaten nach der offiziellen Verleihung zu halten. Nun heißt es, Dylan plane, im Frühjahr 2017 einige Konzerte in Schweden zu geben. Bei dieser Gelegenheit könne Dylan seine Nobel-Vorlesung halten und den Preis dann persönlich entgegen nehmen.
Als publik wurde, dass Dylan den Literaturnobelpreis 2016 erhält, begann sofort eine heftige Diskussion, ob diese höchste Ehrung in der Literatur für die Liedtexte des singenden Poeten und für die beiden von ihm geschriebenen Bücher überhaupt angemessen sei. Von Seiten der Songwriter-Kollegen aus Pop und Rock kam sofort eindeutige bis geradezu jubelnde Zustimmung, doch aus dem Lager des klassischen Literaturbetriebs überwogen die kritischen Bedenken und Ablehnungen.

Der Literaturkritiker Denis Scheck ließ sich mit dem Kommentar zitieren: „Gelegentlich erlaubt sich die Akademie ein ‚Späßken‘. Die Auszeichnung von Bob Dylan ist genauso ein Witz, wie es die von Dario Fo war. Am besten, man lacht mit.“

Der britische Schriftsteller Irvine Welsh, Autor des Popromans „Trainspotting“ sagte: „Ich bin ein Dylan-Fan, aber dies ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis, herausgerissen aus den ranzigen Prostatas seniler, sabbernder Hippies.“

Die österreichische Publizistin und Literaturkritikerin Sigrid Löffler äußerte sich wie folgt: "Selbstverständlich sind Liedtexte, gerade die von Bob Dylan, natürlich wunderbar. Nur: Diese Texte sind keine eigenständige Lyrik, denn sie funktionieren nur, wenn sie gesungen sind.“

Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa, Literaturnobelpreisträger des Jahres 2010, sagte in einem Interview: „Bob Dylan ist ein großer Sänger, aber er ist kein Schriftsteller. Ich mag seine Musik sehr, aber es gibt viele, viele Schriftsteller, die besser für diese Auszeichnung qualifiziert gewesen wären.“

Und die FAZ schrieb: „Wenn überhaupt, dann hätte Bob Dylan den Nobelpreis für Popmusik verdient.“
Einige Fragen um His Bobness, von der literarischen Qualität seiner Songtexte, über seine Eigenart, seine Songs in Konzerten immer wieder in veränderter Form zu präsentieren, bis zu den Anwürfen, dass Dylan Werbung für Damenunterwäsche und US-Autofirmen macht und sich von den Zensurbehörden in China und Vietnam vorschreiben lässt, welche seiner Songs er in dortigen Konzerten singen, bzw. nicht singen darf, werden im Kramladen am 01. und 15. Dezember erörtert. Gesprächspartner ist der promovierte Musikwissenschaftler, Dylan-Kenner, Liedermacher der ersten Stunde und langjährige Goethe-Instituts-Mitarbeiter Michael de la Fontaine. Gemeinsam mit seinem Duo-Partner Christopher Sommerkorn im Liedersänger-Duo „Christopher & Michael“ war er 1965 der erste deutsche Musiker, der Texte von Bob Dylan ins Deutsche übersetzte und öffentlich sang. Zusammen mit Joan Baez sangen Christopher & Michael bei der Ostermarsch-Kundgebung 1966 vor dem Frankfurter Römer Dylans Hymne „The Times They Are A-Changing“.
Dylans poetische Sprache, seine Metaphern und Assoziationsketten waren damals in den frühen 60er Jahren noch völlig neu und ungewohnt in der Popmusik. Über die Schwierigkeit, diese komplexen Texte ins Deutsche zu übertragen und auf Deutsch singbar zu machen, welchen Einfluss Dylan auf die entstehende Liedermacherszene in Deutschland hatte, wie Dylans Bedeutung für die Popkultur einzuschätzen ist, usw. – darüber wird Michael de la Fontaine als Zeitzeuge von damals und als Dylan-Experte aus heutiger Sicht Auskunft geben.

Der zweite Teil folgt am 15.12.2016

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Playlist

1.  L. Shankar / Darlene (Kramladen-Themamusik)
Touch Me There / Zappa Records
2.  Bob Dylan / Mississippi
Love And Theft / Columbia
3.  Sheryl Crow / Mississippi
The Globe Sessions / A&M Records
4.  Bob Dylan / Thunder On The Mountain
Modern Times / Columbia, Sony, BMG
5.  Bob Dylan / All Along The Watchtower
The Ultimate Collection / Columbia, Sony
6.  Jimi Hendrix / All Along The Watchtower
Jimi Hendrix Best Of / Polydor
7.  Bob Dylan / The Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest
John Wesley Harding / CBS
8.  Bob Dylan / The Times They Are A-Changin’
The Times They Are A-Changin’ / Columbia
9.  Bob Dylan / Subterranean Homesick Blues
Bringing It All Back Home / Columbia
10.  Bob Dylan / You Ain’t Going Nowhere
Basement Tapes / Columbia
11.  Christopher & Michael / Kommt Her All Ihr Leute
Folklore Konzert / CBS
12.  Bob Dylan / Going, Going, Gone
Planet Waves / Asylum Records