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Was ist Musik Robert Forster Special

ByteFM: Was ist Musik vom 13.04.2008

Ausgabe vom 13.04.2008: Robert Forster Special

Let your light in, babes!

Weil am vergangenen Sonntag unser Server muckte und wegen großer Nachfrage wiederholen wir die Sendung mit Robert Forster am 13. April.

Robert Forster zu Gast bei “Was ist Musik?”

Gar nicht erst so tun als hätte man kritische Distanz! Robert Forster kommt und bringt Lieblingsplatten mit. Monkees, Ann Peebles, Television, Patti Smith, Bowie…

Und “The Evangelist“, Lieblingsplatte der Stunde.

„The Evangelist“ ist das erste Album nach dem plötzlichen Tod seines langjährigen Freundes und Bandkollegen Grant McLennan vor zwei Jahren, also das erste Album nach dem Ende der Go-Betweens.

Forster erzählt über die Zeit nach Grants Tod, über Walldorf-Schulen-Lieder, über den Humor von Roxy Music und beantwortet die Frage, warum er sich Dinge leisten kannen, die bei Anderen nur cheesy daherkommen.

Sendungssprache: australisch(1%), bayerisch-deutsch (99%).

Distanzlos, kritiklos, haltlos. Fanradio. Los.

Lektüre:

David Nichols: The Go-Betweens (Verse Chorus Press)

The Go-Betweens: History/Lyric/Songbook – The Songs of Robert Forster and Grant McLennan mit einer Bandgeschichte von Klaus Walter, Schott Verlag

Klaus Walter in der TAZ am 11.04.:
Babe oder Baby?
Freundschaft, Anmut, Würde, Tod. Schweres Gepäck, leicht gemacht von Robert Forster auf seinem ersten Album nach dem Ende der Go-Betweens

Kritische Distanz? Gar nicht erst so tun. Hier geht nur Ich, parteiisch.
„Warum kann Robert Forster sich Dinge erlauben, die man anderen niemals durchgehen ließe?“ Mit dieser Frage hat Kollege Jan Möller neulich „Let your light in, Babe“ abmoderiert. Der Hit aus dem neuen Album des australischen Sängers hat einen gemütlichen Mandolinen-Groove, einen eingängigen Refrain und einen Frauenchor. Die Mandoline bekommt ihr Solo, der Chor summt ein beschwingtes „Uuuhhh-Uuuhhh“, Forster ein paar „lalalas“, der King der Onomatopoesie. Klingt cheesy wie Hölle, oder? Cheesy steht für „käsig, kitschig, geschmacklos, von billiger Machart“. Trifft alles zu auf „Let your light in, Babe“, auf dem Papier. Aber dann ist es doch wieder ein Traum von einem Song. Warum? Warum finde ich bei Dir Dinge bezaubernd, die bei anderen cheesy sind? Habe ich Robert Forster während einer Sendung beim Internetradio www.byte.fm gefragt. Zwei Stunden lang hat er sein neues Album vorgestellt, dazu Lieblingslieder: Bowie, Ann Peebles, Television, Monkees. Hat er daran gedacht, aufzuhören nach dem Tod von Grant McLennan? Die große Frage. Sein Freund und Songschreiberpartner war am 6.Mai 2006 völlig überraschend gestorben, mit 48 in Brisbane. Gemeinsam waren Robert & Grant The Go-Betweens, seit 1978, mit zehn Jahren Trennung in den Neunzigern. Zu Sendungen und Interviews haben wir uns häufiger getroffen. Über keine andere Band würde ich mit Gewißheit sagen: A dream of what a pop group should be. So stands im New Musical Express. „Ein Traum von einer Popgruppe.“ Wir reden vom ideosynkratischen Fan-Schwärmen, vom unauflöslichen Restgeheimnis der Liebe zu einem fernen Objekt. Und dann sind da noch objektive Gründe, in den Go-Betweens A dream of what a pop group should be zu sehen:
1.Zwei gleichberechtigte Songwriter in einer Band.
(Gibt’s ja gar nicht. Rivalität!)
Robert: ”Wenn ich an Bands mit zwei starken Figuren denke, meine ich nicht unbedingt zwei Songwriter. Eher Konstellationen wie Lou Reed und John Cale bei Velvet Underground oder Bryan Ferry und Brian Eno bei Roxy Music oder die Pet Shop Boys...ja, die Pet Shop Boys sind eine Hochglanz-Version von uns.” (Forster ist die Diva: Reed, Ferry, Tennant. Und der Lennon zu McLennans McCartney)
2. Es gab immer Frauen in der Band. (nie in leitender, schreibender Funktion)
Robert: ”Wir wollten immer Frauen in der Band haben, im richtigen Leben gibt es Frauen und Männer, wenn du ins Kino gehst, siehst du Frauen und Männer.”
Feinde beobachten manchmal genauer als Freunde. Der Rockschreiber Clinton Walker über die Go-Betweens:
„Jede Band, die aus zwei naiven Jungs besteht, die lauthals behaupten, Homosexualität sei nicht nur was für Schwuchteln, die anschliessend eine feministische Schlagzeugerin rekrutiert – und eine ältere Frau dazu -, die die Liebhaberin von einem der Jungs wird, die daraufhin ein naives junges Mädchen rekrutiert, die die Liebhaberin des anderen Jungen wird, während die erste Affäre gerade bitter zu Ende geht, so eine Band ist dafür geschaffen, Probleme zu bekommen. (eine Art alternativer Fleetwood Mac, jede Menge Klatschstoff).“
Der Schriftsteller Jonathan Lethem wurde über diese Probleme zum Fan der Go-Betweens: „Ich habe Ahnungen über die Leute in der Band, die vermutlich falsch sind, aber sie bedeuten mir etwas.“ A Dream of a Band.
Die zehnjährige Pause haben sie überstanden. Die Angst ihrer Liebhabergemeinde vor einem von Nostalgie und Midlife-Crisis gezeichneten Comeback pulverisiert mit „The Friends of Rachel Worth“, ein Traum von einer Platte, 2000.
Weitere folgen, dann der plötzliche Tod. Jetzt also Robert solo, zum ersten Mal seit zwölf Jahren. Mit den Soloalben war es wie bei Roxy Music, Velvet Underground und den Beatles. Es gab Glanzstücke, aber noch auf den glänzendsten wurde der Andere, der Abwesende vermisst. Entsprechend groß ist die Angst des Liebhabers vor Roberts neuer Platte, die erste mit über 50. Spielt das eine Rolle?
Robert: ”Nein, ich fühle mich wohl, ich war ja nie der Typ des zornigen, jugendlichen Rockstars.“
Altern fiel ihnen leicht. Nie haben Rockkonzerte von Mittvierzigern so glücklich gemacht, als hätte es die Jugendparadigmen der Rock-Orthodoxie nie gegeben. Und dann stirbt einer, ohne Symptome des Niedergangs. Hat Robert daran gedacht, aufzuhören?
„Nein, aber natürlich ist es keine normale Platte. Ich war schockiert, aber ich wußte, dass ich weitermachen würde. Ich hatte schon einiges in der Schublade und ich wußte, dass Grant einige fantastische Songs geschrieben hatte.“
Drei davon hat Robert zu Ende geschrieben, Grant ist Co-Autor, man glaubt seine Stimme zu hören, die Harmonien, die Gratwanderung zwischen caretaking und kapriziös. Was vermisst Robert am meisten, musikalisch?
„Seine Gitarre, ich mochte sein Spiel sehr, er war großer Fan von Mick Ronson.“ Bowies Gitarrist in den 70ern.
Welche Vorteile hat das Alleinsein?
„Es ist schön, ein Album alleine zu formulieren und zu konzipieren.“
Wie ein Album konzipiert ist, wie die Abfolge aus zehn Songs mehr macht als die Summe ihrer Teile, das stellt sich heraus, wenn man zwei Stunden mit Robert reden und Song für Song spielen kann. So ein Luxus verändert die Wahrnehmung, man spürt, wie Songs in Kontexten aufblühen – oder absaufen. Schon bei den Go-Betweens waren solche Fragen wichtig, es gab den an der Schallplatte orientierten Zehn-Song-Imperativ, fünf pro Seite. Daran hält Forster fest. Ganz wertkonservativer Dandy läßt er sich nicht irritieren von der Digital-Erosion des Album-Formats. Er ist ja kein Elvis Costello. Der droht einer zu Tode erschrockenen Welt mit Rückzug. Nach über 30 Jahren will er kein neues Album mehr aufnehmen: „MP 3 hat die ursprüngliche Gestalt eines Albums demontiert und ruiniert.“ Schon recht, aber den Markt der U 30-Grabber wird Costello auch mit kostenlosen Dubstep-Mixen seiner abgehangenen Lieder nicht knacken. Forster vertraut seiner gestalterischen Kraft. Auf „The Evangelist“ steht die Single „Let your light in, Babe“ auf Position 6, also B1 in LP-Logik. Die A-Seite beginnt mit drei ruhigen Songs, darunter „Demon Days“, der Grand-Grant-Moment. Wie also eine Platte anfangen nach dem Tod des Partners?
„`If it rains´war von Anfang immer der erste Song, eine Art Meditation…“
„Dein wievielter Regen-Song?“
„Ja, ja, aber anders, es geht um Neubeginn, neue Liebe, besserer Mensch sein, …“
„If it rains“ tastet sich rein ins neue Album, drittschönster Regensong des begnadeten Regensongschreibers Forster. Hat auch so einen cheesy Moment. Gerade als die Augen feucht werden vom Regen und den unvermeidlichen Gedanken an den Abwesenden, bricht das Geräusch eines Gewitters die Andacht. Eigentlich ein Unding, hier ein Moment der Erleichterung, das erste Lachen beim Leichenschmaus. Warum ist bei Robert Forster bezaubernd, was bei anderen cheesy ist?

(((ACHTUNG KORREKTUR! Nächsten Satz bitte so lassen. AKZENT!!!)

„Es ist immer wichtig, ein bisschen Humor zu bringen. Was ich liebe in Musik hat immer Humor, Dylan, The Smiths, Roxy Music…“
Humor bringen? Ja, so sagt er´s, auf deutsch. Das sechste, siebte Treffen unter den Bedingungen des Popbetriebs, diesmal unter den denkbar größzügigsten, viel Zeit, und plötzlich spricht Robert Forster ein bayerisch getöntes australodeutsch („freilick“), very charming. Das kam so: Eines Tages spielt bei einer Deutschland-Tour der Go-Betweens die Regensburger Band Baby You Know im Vorprogramm. Bald darauf produziert Robert Forster eine Baby You Know-Platte. Und zwei Babies mit Karin Bäumler von Baby You Know. Die sind inzwischen sechs und neun. Zunächst lebt die neue Familie in Alteglofsheim bei Regensburg. Dann überredet Robert seine Frau zum Umzug in seine Heimat. Australien.
Als Entschädigung für die Entführung ans andere Ende der Welt wird in Brisbane deutsch gesprochen, die Kinder wachsen zweisprachig auf. Aus dieser Geschichte macht Robert etwas, das sehr selten ist in der Geschichte der Go-Betweens. Ein autobiografischer Song, fast eins zu eins als solcher zu lesen.
„Ja, ich habe meine Frau und Kinder nach Australien gebracht, und jetzt habe ich dieses Schuldgefühl, als hätte ich die ganze Familie in einen Koffer gepackt.“
Dafür tröstet er seine Regensburgerin mit dem Titelsong des neuen Albums. „The Evangelist” endet hoffnungsvoll: „And I believe, baby, I believe in us.“ In anderen Händen ein Fall von cheesy Terror der Intimität, hier ein Fall von Anmut und Würde. Wir haben dann noch über den Unterschied zwischen „Baby“ und „Babe“ geredet. Hat mit Grants Faible für Dylan zu tun. Aber dafür ist hier kein Platz mehr.

Robert Forster: The Evangelist (Tuition)
The Go-Betweens – History, Lyrics, Songbook – The Songs of Robert Forster. Mit einer Bandgeschichte von Klaus Walter (Schott Verlag)
Die Sendung „Was ist Musik“ mit Robert Forster und Klaus Walter läuft am Sonntag, den 13.4. um 20 Uhr bei www.byte.fm
Auszüge aus dem Gespräch am Sonntag, den 13.4. um 23 Uhr bei „Der Ball ist rund“ auf hr 3 (Stream: www.hr3.de)
Heute, 11.4. 17 Uhr www.byte.fm Mixtape von und mit der taz-Musikredaktion