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Was ist Musik Ich-synton, ich-dyston – The changing moods of Mykki Blanco

ByteFM: Was ist Musik vom 04.09.2016

Ausgabe vom 04.09.2016: Ich-synton, ich-dyston – The changing moods of Mykki Blanco

Was sind das für Typen? Wie leben die? Was für Drogen nehmen die? Welchen Sex haben die? Welches Geschlecht haben die? In welcher Welt leben die? Woher kommen ihre Klamotten? Die Perücken? Das Make-Up? Wie sind die geworden, was sie sind?

Wenn es stimmt, dass gute Pop-Musik sich dadurch auszeichnet, dass sie solche und ähnliche Fragen provoziert, und zwar in Hülle und Fülle, dann ist „MYKKI“ die beste Pop-Musik, die gerade zu haben ist. Allenfalls Frank Ocean wirft so viele interessante Fragen auf. Allerdings ist auch die Frage: wer fragt da? Wer ist der Typ, der da über „MYKKI“ schreibt? Aus welcher Perspektive schreibt er. Selten war diese Frage so unumgänglich wie hier, selten gab es ein größeres Mismatch zwischen dem Rezensenten und seinem Gegenstand. Zwischen mir und „MYKKI“, und zwischen mir und Mykki Blanco.

Am 9. August 2016 kommentierte die Frankfurter Journalistin Esther Schapira, die von ihren politischen Gegnern schon mal als „Halbjüdin“ bezeichnet wird, in der ARD das Antidiskriminierungsgesetz: „Wer männlich, weißhäutig, sichtbar biodeutsch, christlich oder säkular, nicht behindert und nicht schwul ist, weiß nicht, was es heißt, (...) diskriminiert zu werden.» All diese Eigenschaften treffen auf mich zu, keine dieser Eigenschaften trifft auf Mykki Blanco zu – mit gewissen Einschränkungen bei den Kategorien christlich oder säkular und behindert. Außerdem bin ich mindestens doppelt so alt wie Mykki Blanco. Und ich bin noch nie im Leben in Frauenkleidern rumgelaufen, außer mal mit zwölf vorm Spiegel in den Klamotten meiner Mutter. Wir passen also richtig gut zusammen. Gleich im ersten Song von „MYKKI“ ist Mykki „dressed like a woman“ und trägt Lipgloss. „I´m in a mood tonight“ singt…äh, er, nein, sie, also die Figur, die sich Mykki Blanco nennt. Ihre Plattenfirma bezeichnet sie griffig als „non-binary gender-queer post-homo-hop musical artist“, wir sagen für den Rest dieses Texts: Sie. „I´m in a mood“ heißt der Opener von „MYKKI“, nicht etwa „I´m in the mood“, nach Glenn Millers Signatursong. Mykki verfügt über viele Moods. Mood heißt Stimmung, Gemütslage, Laune aber auch: Modus. „MYKKI“ handelt von Mykkis ever changing moods, von ihren häufig wechselnden Stimmungen, aber auch von ihren wechselnden Modi. Schnell wird klar, dass Mykki über ein überdurchschnittlich großes Repertoire an Moods verfügt und über überdurchschnittlich viele Möglichkeiten, diese Moods zu manipulieren. En Detail – und es sind so irre viele Details, die hier ausgebreitet werden, dass sie wahrscheinlich nicht nur den Schapiraschen Mann, der nicht weiß, was Diskriminierung ist, überfordern – en Detail also verhandelt „MYKKI“ den Hauptwiderspruch der Figur Mykki Blanco: Ich kann meine Moods ständig verändern und manipulieren, lebe aber in einer Gesellschaft, die diese Moods & Libidos nur in abgegrenzten (Frei-)Räumen zuläßt, ihnen außerhalb dieser Räume dagegen mit Ausgrenzung, Unterdrückung und Gewalt begegnet. Im Extremfall mit Ermordung, wenn Freiräume attackiert werden, wie in Orlando.

Fortsetzung demnächst in der Jungle World.

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Playlist

1.  Mykki Blanco / Loner Ft. Jean Deaux
MYKKI / K7
2.  Mykki Blanco / I’m In A Mood
MYKKI / K7
3.  Frank Ocean / At Your Best (You Are Love)
Endless / Soundcloud
4.  Frank Ocean / Nikes
Blonde / Universal
5.  Mykki Blanco / My Nene
MYKKI / K7
6.  The Verve / The Drugs Don’t Work
Urban Hymns / EMI
7.  Mykki Blanco / The Plug Won’t Work
MYKKI / K7
8.  Mykki Blanco / You Don’t Know Me
MYKKI / K7
9.  Mykki Blanco / For The Cunts
MYKKI / K7
10.  Mykki Blanco / Shit Talking Creep
MYKKI / K7
11.  Mykki Blanco / Highchool Never Ends
MYKKI / K7
12.  Mykki Blanco / Interlude 2
MYKKI / K7
13.  Prince / If I Was Your Girlfriend
If I Was Your Girlfriend / WEA