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Was ist Musik Sonae und doch so fern - I started wearing black

ByteFM: Was ist Musik vom 29.04.2018

Ausgabe vom 29.04.2018: Sonae und doch so fern - I started wearing black

„Die Art der Melancholie, die mir vor Augen steht, zeichnet hingegen nicht Resignation aus, sondern vielmehr die Weigerung nachzugeben – das heißt die Weigerung, sich dem anzupassen, was unter den gegenwärtigen Bedingungen »Realität« heißt, selbst um den Preis, sich in dieser unserer Gegenwart als Außenseiter zu fühlen…“

So skizziert Mark Fisher in „Gespenster meines Lebens“ eine, um es mit einem großen Wort zu sagen: widerständige Melancholie, in Abgrenzung zu „linksmelancholischer Resignation“. Und – wovon Fisher nicht spricht - ihrem unter Männern verbreiteten Pendant: dem habituell postlinken Zynismus – alles schon gesehen. Fisher nennt das hauntologische Melancholie. To haunt ist das englische Wort für herumgeistern, spuken und heimsuchen.

Es spukt, geistert, gespenstert und heimsucht fast permanent auf „I started wearing black“, dem zweiten Album der Kölner Künstlerin Sonae (gesprochen so-nah). Hauntology teilt ja mit Retrofuturismus das Schicksal des inflationären Ge- und Missbrauchs. Ein Begriffscontainer, der gut aussieht, in den viel reinpasst, zu viel. Zudem hat Hauntology seine Hauptsaison hinter sich, ein Terminus an der Schwelle des Haltbarkeitsdatums. Dennoch möchte ich Hauntology rehabilitieren, wieder ins Recht setzen, um „I started wearing black“ zu charakterisieren, denn selten traf der Begriff eine Musik so zwingend wie hier, zuletzt bei „Asiatisch“ von Fatma Al Qadiri, allerdings in einem komplett anderen Bezugssystem.

Was sind die Gespenster dieser Musik? Es rauscht, knistert, kruschpelt, knirscht, klappert, schabt, mal schält sich ein Beat heraus aus dem Dauerrauschen, mal murmelt eine obskure Stimme Unverständliches, mal wird die Melancholie einer Pianofigur vom Rauschen daran gehindert, sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Eerie, um einen anderen Ausdruck, den Fisher im Titel seines letzten Buches verwendet, ins Spiel zu bringen. »The Weird and the Eerie« ist notwendigerweise unzulänglich übersetzt mit „Das Seltsame und das Gespentische“. Im britischen Popjargon kam mir eerie erstmals häufiger unter, wenn es um besonders abseitigen, spukigen, nun ja, gespenstischen Dub ging, um bassiges Echorauschen, von Augustus Pablo über Creation Rebel bis Burial..

Anders als auf den Wald & Wagner-Platten von Wolfgang Voigt handelt es sich bei Sonae nicht um einen neoromantisch verhüllenden, tendenziell eskapistischen Rauschnebel. Es ist mehr ein Rauschen der Latenz. Das Rauschen signalisiert eine latente – nicht notwenigerweise akute - Bedrohung, ein latentes Unbehagen an…ja, an was?“

So beginnt die Produktinformation, vulgo: der Waschzettel zu „I started wearing black“, den ich hier zitieren darf, weil ich ihn selbst geschrieben habe. Heute in Was ist Musik: Rauschen der Latenz, Lieblingssongs von Sonae und Verwandtes.

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Playlist

1.  Sonae / White Trash Rouge Noir
I Started Wearing Black / Monika
2.  Sonae / I Started Wearing Black
I Started Wearing Black / Monika
3.  SPR / Axis
Axis / The Weevil Neighbourhood
4.  Sonae / System Immanent Value Defect
I Started Wearing Black / Monika
Maria W Horm / Unit II
Diverted Units / Holodisc
6.  Sonae / We Are Here
I Started Wearing Black / Monika
7.  Thembi Soddell / Erasure
Love Songs / Soundcloud
8.  Sonae / Dream Sequence
I Started Wearing Black / Monika
9.  Emptyset / Border
Border / Thrill Jockey
10.  Deadbeat / Gudrun
Wax Poetic For This Our Great Resolve / BLKRTZ
11.  Deadbeat / Thomas
Wax Poetic For This Our Great Resolve / BLKRTZ