Inside Music 24.03.2009

Last Night Of The Progs

Ein katastrophaler Distinktionsabsturz, wenn sich Jemand als ehemaliger Hörer von Bands wie King Crimson, Gentle Giant oder gar Yes oder Genesis verraten hat; etwa durch alte Platten, die man beim Wegsortieren vergessen hat. So zumindest war das noch in den 80 und 90er Jahren, die Machtübernahme durch Punk Rock im Jahre 1976, der den bourgeoisen Pomp der Musikstudierten von der Bühne fegte, hatte bei den stilbewußten Musikhörern nachhaltige Tabus gesteckt. Wer mochte schon mit der Unsexyness von Bands in Verbindung gebracht werden, die ihre Shows sitzend im Nebeldunst spielten und deren Publikum zu 99,9% aus Typen bestand.

Punk Rock brachte wieder die Vorherrschaft der Kunststudenten und Modeschöpfer zurück. Supernasen, die Bands wie Clash oder Sex Pistols zusammenstellten und einkleideten, hatten verstanden, genau so wie ein paar Jahre vorher die Strategen von Supergroups a lá ELP. Allerdings musste man sich das Parkett mit anderen Erscheinungen wie Saturday Night Fever teilen - ein gemeinsamer Feind sowohl für übriggebliebene Prog Hippies (davon gab es viele) als auch für Punks.
Flucht in die neue Innerlichkeit, dann Flucht in die neue Äußerlichkeit, inzwischen ist das Ganze längst eine Riesentapetenfläche, wo es alles auf einmal gibt, nur nicht den Luxus des Polarisierens.
Der ehemalige Punk, der immernoch auf Hippies schimpft, steht in seiner verstaubten Borniertheit direkt neben dem alten Rockfan, der beklagt, dass die Bands heute ihre Instrumente nicht mehr spielen können.

Die Musik, die man als Jugendlicher gehört hat, wird man nicht los, auch wenn man vieles davon in Nachhinein albern oder behämmert findet. Wenn ich heute irgendeinen King Crimson Anfang höre, dann streift mich außer dem schnellen Gitarrengewusel oder dem schwülstigen Mellotronakkord auch eine Brise Unbeschwertheit oder Lebensneugier – wahrscheinlich genau das, was die Wunderkerzenschwenker bei Oldienächten kollektiv befällt.
Die Platten habe ich längst wieder aus dem Kellerregal geholt, Vieles davon höre ich tatsächlich mit Begeisterung, wie viel davon einfach nur Nostalgie ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. Eine besonders seltene Auswahl von Ausgrabungen aus „einem Land vor unserer Zeit“ heute bei Inside Music.