Kramladen Singles leben länger – 75 Jahre Single-Platten

Ist das Album tot? „Warum all die Arbeit, wenn sich Alben kaum noch verkaufen?“ (Sheryl Crow, 2024)

Singles, also einzelne Musiktitel, boomen im Streaming-Zeitalter wie nie zuvor. Vor 75 Jahren kam die erste Single-Schallplatte auf den Markt. Ein Jahr zuvor ging die Vinyl-LP an den Start. Doch erst durch den Massenerfolg der relativ preisgünstigen Single wurde das Massenphänomen Popmusik und mit ihr ein neuer Industriezweig geboren. Die Schallplattenfirmen prosperierten und verdienten immens an den frühen Hit-Singles. Die Jukebox profitierte genauso von den Singles wie die Unterhaltungsmusikprogramme der Radiostationen. Und erstmalig konnten bis dato völlig unbekannte Musiker quasi über Nacht zu Stars werden. Die Single machte es möglich. Der Erfolg des Rock ’n’ Roll in den 50ern und des frühen Beat bis Mitte der 60er-Jahre lebte vor allem von den Singles – übrigens später auch der Punk und Reggae. Durch die DJ-Kultur der Dancefloor- und Techno-Szene wurden die Maxi-Singles Kult.

Die Standard-Single im 7-Zoll-Format galt jahrzehntelang als Referenzwährung der Popindustrie. Die Album-Charts mögen für Kenner der Maßstab gewesen sein, doch die Single-Charts bestimmten die Trends und die Verkaufszahlen. Die Singleplatte war das preisgünstige, schnell verfügbare und leicht handelbare Massenmedium.

Nicht der aufkommende Boom der Musikkassetten wurde der Singleplatte gefährlich, sondern der Trend zur Album-Kunst mit aufwändiger Covergestaltung, abgedruckten Songtexten und Liner-Notes, aber vor allem mit fortlaufenden, komplexen musikalischen Erzählsträngen etwa in Konzept-Alben. In Kreisen des Artrock und Avantgarde-Pop waren Singles geradezu verpönt, galten als kommerziell und angepasst an den Mainstream-Massengeschmack.

Als Mitte der 80er-Jahre die Audio-CD eingeführt wurde, war das Ende der Single-Platte nicht mehr weit. Doch als Single-CD erlebte die Single ihre Wiedergeburt, wurde mit Sondertiteln oder gar Multimedia-Features zum Sammlerobjekt aufgewertet und erlebte dann eine weitere wichtige Verwandlung. In diesen aktuellen Zeiten der Streaming-Ära und der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen zählt die digitale Single heute zu den wichtigsten Musikmedien schlechthin.