Selfie-Ständer sollen in England verboten werden

Von Philipp Rhensius, 26. Januar 2015

Bill Nye, Barack Obama und Neil DeGrasse Tyson posieren für ein SelfieBill Nye, Barack Obama und Neil DeGrasse Tyson posieren für ein Selfie

Die Möglichkeiten der subjektiven Erinnerungsproduktion haben mit all den uns zur Verfügung stehenden elektronischen Geräten enorm zugenommen. Eine der neuesten Ausprägungen sind die Selfies, die den alltäglichen von sozialen Medien ohnehin angespornten Narzissmus auf eine neue Ebene zu katapultieren scheinen. Einer der größten Effekte von Selfies sind die sich damit verschiebenden „Akzente primärer Wirklichkeit“, wie es der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht vor Kurzem in einem Essay auf seinem FAZ-Blog formulierte. „Wirklich im primären Sinn“, so Gumbrecht, sind „nicht mehr jene Gegenstände der visuellen und auditiven Wahrnehmung, die in der denkbar unmittelbarsten Weise auf unsere Augen und Ohren wirken, sondern vor allem jene, die durch eine zwischen diese Organe und den Gegenstand ihrer Wahrnehmung geschobene elektronische Apparatur festgehalten wurden.“

Wie sich diese elektronischen Apparaturen gelegentlich in der wirklichen, also physischen Realität auswirken, lässt sich etwa auf Konzerten oder in Clubs beobachten, in denen die Sicht auf die Künstler allzu oft von hochgereckten Handys, Digitalkameras und Tablets gestört wird. Besonders ärgerlich sind für viele die neuen sogenannten Selfie-Ständer, die den Digital-Narzissten ermöglichen, sich selbst aus einer noch breiteren Perspektive aus zu fotografieren.

Um das zu unterbinden, haben einige der größten Konzerthallen Englands, darunter Londons O₂-Arena und die Wembley-Arena, nun ein Verbot dieser Ständer eingeführt. Neben einer Sicherheits- und Gesundheitsgefahr wurde die Entscheidung vor allem mit dem ebenfalls eingeführten Fotoverbot begründet.

Dem Sprecher der Wembley-Arena zufolge seien Selfies heute ein großer Teil des Konzerterlebnisses, weshalb von nun an nur die Ständer verboten sind. Die Zuschauer sollten stattdessen auf die bewährte Methode, nämlich ihre eigenen Arme, zurückgreifen.

Die Brixton Academy begründete ihre neue Politik mit dem bereits vorhandenen Foto- und Filmverbot, das auch alle anderen Geräte einschließt, welche die Befriedigung der Kunden gefährde.

Womöglich ist das eine geeignete Maßnahme, den von Gumprecht infolge von Selfies befürchteten Verlust der „Tiefe“ und der „Komplexität der Erfahrung gegenüber dem eher oberflächlich laufenden Erleben“ Einhalt zu gebieten.

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