Stromae – „Multitude“ (Rezension)

Bild des Albumcovers von „Multitude“ von Stromae

Stromae – „Multitude“ (Polydor)

7,6

„Multitude“ (dt.Vielzahl) lautet der Titel des neuen Stromae-Albums. Und eines kann bereits zu Beginn gesagt werden: Es ist auf jeder Ebene drin, was draufsteht. Denn das dritte Werk des Künstlers kommt mit einer Vielzahl an Sounds und Emotionen sowie Einflüssen und Geschichten daher. Paul Van Haver aka Stromae erschafft einen globalen Sound, der sämtliche Grenzen hinter sich zu lassen scheint. Alle, die den Belgier aufgrund seiner Hitsingles „Alors On Danse“ oder „Papaoutai“ als eindimensionalen Popstar abgestempelt haben, sollten spätestens mit dieser Platte ihre Vorurteile über Bord werfen.

Man kann im Fall von „Multitude“ von einem Comeback-Album sprechen, das Van Haver schon im Oktober 2021 mit der Singleauskopplung „Santé“ angekündigt hatte. Denn es handelt sich um das erste Lebenszeichen des Musikers seit acht Jahren. Wie es zu der langen Pause kam, wird inhaltlich auf „Multitude“ thematisiert: Eine psychische Erkrankung hat Stromae auf der Erfolgswelle im Rahmen seiner Welttournee 2015 in die Knie und somit zu einer Pause gezwungen. Lange war dem Sänger selbst nicht klar, ob er je wieder Musik machen würde. Doch er hat sich dafür entschieden und thematisiert seine Depression und Fragen rund um mentale Gesundheit in seiner Musik ganz offen und direkt. So hat er im Rahmen eines Fernsehauftritts mit seinem Track „L’Enfer“ für eine berührende Szene gesorgt. Auf die Frage, ob Musik ihm dabei geholfen habe, ihn von seiner Einsamkeit zu befreien, antwortete er mit den ersten Zeilen der Single: „Ich bin nicht alleine, mit dieser Einsamkeit …“

Dualität als Stilmittel

Generell gilt: Die Tracks auf „Multitude“ haben es in sich. Bereits der erste Vorgeschmack auf das Werk, „Santé“, überraschte mit einem verschleppten, sich fast schon überschlagenden Reggaeton-Beat, in den Cumbia-Elemente gemixt wurden. Ohnehin ist das Album gespickt mit einer Vielzahl globaler Sounds: Da wären zum Beispiel Klänge einer Erhu (chinesische Violine) auf „La Solassitude“, einem Track, der sich mit der Unzufriedenheit beschäftigt, die Routinen hervorrufen. Oder der Einsatz einer türkischen Flöte auf „Pas Vraiment“. Inhaltlich sticht besonders „Fils De Joie“ heraus: Der Song, der mit einem Sample des Soundtracks der Netflix-Serie „Bridgerton“ beginnt, beschäftigt sich mit den Vorurteilen gegenüber Sexarbeiter*innen – und zwar aus der Perspektive eines Sohnes. Und dann sind da noch die Geschwistersongs „Mauvaise Journée“ und „Bonne Journée“, die jeweils den Protytpen eines richtig guten sowie richtig schlechten Tags beschreiben. Nicht die einzigen Stellen auf „Multitude“, an denen Dualität als Stilmittel verwendet wird.

Stromae überzeugt auf seinem dritten Werk mit einer Beobachtungsgabe, die ihresgleichen sucht. Er hinterfragt Dinge, die ihm seltsam erscheinen und prangert Missstände an. Das Paradoxe dabei: Das alles geschieht in Form von fröhlicher, positiver Musik, der man die thematische Ernsthaftigkeit und Schwere nicht sofort anhört. Melancholie wird ganz selbstverständlich mit Tanzbarkeit gepaart, tiefgehende Themen gesellen sich zu fröhlich-plätschernden Sounds – der Titel „Multitude“ könnte nicht besser gewählt sein.

Veröffentlichung: 4. März 2022
Label: Polydor

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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