Berlin, du geile Sau! Hercules and Love Affair im Berghain

Welch eine Symbiose hat sich hier aus einer Band und einem Club entwickelt! Es war, als hätten Hercules and Love Affair am Donnerstagabend gar nicht anderswo auftreten können als im Berliner Berghain. Der Hype des einen ist der Hype des anderen.

Kim Ann Foxmann nutzte vor dem eng gedrängten Publikum jede Gelegenheit für ein gut platziertes „Berlin, du geile Sau!“. Das muss ihr wohl jemand als coolen Spruch angedreht haben. Und dann ging’s auch schon los. Mit kurzem Verweis auf das neue Album, das man auch irgendwo in diesem Heizkessel von irgendwem erwerben könne (und auch sollte), gingen „I Can’t Wait“, „Visitor“ und „Painted Eyes“ fast übergangslos ineinander über. Die Welle der Begeisterung musste genutzt werden. Für immerhin 25 Euro pro Ticket wurde etwas Spezielles, dem Bandkonzept Gerechtwerdendes erwartet.

Andrew Butler und Konsorten zogen auf der Bühne alle Register. Obwohl es kaum Platz zum Tanzen gab, war dafür umso mehr „time to jump“! Butler dankte der Stadt Berlin, dass sie der düsteren Zeit der Neunziger durch ihre Musik- und Clubkultur als Rettungsanker für viele Amerikaner fungiert hatte. Sprach’s und ließ sich beklatschen, von einem Publikum, das so aussah, als hätte sich in den Neunzigern bei ihnen alles noch um Pokémon-Karten und Sticker gedreht. Schon beim Betreten des Berghain war die inflationäre Präsenz von Hipstern auffallend. So sieht also das Klientel von Hercules and Love Affair aus. So sieht derzeit ganz Berlin aus.

Trotz einiger Rückkopplungen am Mikrophon war die Tonqualität der Anlage überragend. Vor allem Aerera Negrot und der Hegarty-Surrogat Shaun Wright konnte man als wahre Stimmgewalten bezeichnen. Gebt dem Publikum was es will, lautete die Richtlinie. Dass dabei auch „Blind“ herhalten musste, das in erster Linie der Stimme Antony Hegartys Charme und Wiedererkennungswert verdankt, war im ersten Moment überraschend. Aber Hercules and Love Affair verstehen sich nach Hegartys Ausstieg nicht als Band zweiter Generation, sondern als rotierendes Projekt, das der Hedonie frönt und seine künstlerische Freiheit voll ausschöpft.

Ein ecken- und kantenloses Konzert wurde hier gegeben, nicht langweilig, nicht anspruchslos, sondern den eigenen Ansprüchen gerecht werdend. Das genügt in diesem Fall, um mehr sollte es nicht gehen.

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Diskussionen

0 Comments
  1. posted by
    Presseschau 11.03.: Techno auf dem Klavier : ByteFM Magazin
    Mrz 11, 2011 Reply

    […] einen kleinen Tourrückblick. Vera Hummel hat das Konzert in Berlin besucht und vergangene Woche in unserem Magazin davon berichtet. Ein ecken- und kantenloses, nicht langweiliges, nicht anspruchsloses, sondern den […]

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