Zum Träumen schön – Braids live in Hamburg

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Ein Blaubeermuffin war es, der die ursprüngliche Formation von Braids zusammenführte – zumindest ein Gespräch über jenen Muffin. Quasi direkt aus der High-School-Cafeteria in Calgary, Kanada zog es die gesamte Band nur wenig später Richtung Montreal.

In Kanada sind Braids zumindest seit der Polaris-Music-Prize-Nominierung landesweit bekannt. Hierzulande ist die Größe der Anhängerschaft jedoch noch relativ überschaubar. Was vielleicht auch den folgenden Umstand erklärt: Vor knapp zwei Jahren nämlich hatten Braids es schon einmal versucht, im Hamburger Aalhaus zu spielen, damals scheiterte es allerdings allein an dem hapernden Kartenabsatz und das Konzert wurde abgesagt.

Vergangenen Freitag starteten die Kanadier im Rahmen des Jever Kneipenkonzerts einen erneuten Versuch – mit Neubesetzung und neuem Album in petto. Und am besagten Abend waren es dann höchstens noch ein oder zwei Armlängen, die das Trio von der ersten, übervollen Reihe und dem dahinter positionierten Menschendickicht trennten. Knapp fünf Minuten vor Konzertbeginn waren endgültig alle anwesenden Füße in ihren Schuhen, Sohle an Sohle unbeweglich aneinandergepresst. Der Raum war voll und von diesem Zeitpunkt an war abzusehen, dass es sich nur noch halbwegs unbeweglich in den anfallenden Klängen mitwippen ließe. Beweist also: Auch ein „kleines Publikum“ kann eine mehr oder minder schwere Platznot verursachen.

Fast zeitgleich mit der ersten Strophe des Openers waren dann die meisten Augen all jener, die gekommen waren, um Braids zu sehen, geschlossen – verblüffend. Vermutlich war das eine fast schon selbstverständliche Reaktion des Körpers auf diese ungeahnte Schwere der experimentellen Braids-Klänge, die sich mit einem Mal im gesamten Aalhaus breitmachten. Es gab eine Nachhilfestunde im Hellwach-Träumen.

Was das sichere Taktgefühl anbelangte, konnten allerdings nur die Wenigsten mit einer minutenlangen Sicherheit glänzen. Ich zähle mich auch an dieser Stelle gerne dazu, denn ich kannte vorab nur eine sehr kleine Auslese der vorgebrachten Setlist. Da also niemand mit diesem Gefühl alleine war, gab es die einmalige Gelegenheit, sich herrlich unsicher fühlen zu können. Braids machten es einem in den Anfangsminuten aber auch nicht leicht. Das Bühnenequipment besteht größtenteils aus elektronischer Instrumentierung und lässt kaum Platz für einen klassischen Indie-Band-Fundus und einen leicht verständlichen Viervierteltakt. Was aber sofort ins Gehör fiel, war die Stimme von Sängerin Raphaelle Standell-Preston. Irgendwie anmutig, weich, und sie wirkte untrennbar verflochten mit diesen collagenhaften, surrealen Sounds.

Auch wenn es textlich bei dem Trio häufig um die erste Liebe und andere Adoleszensprobleme geht, könnte das, was an diesem Freitagabend auf alle Zuhörer einprasselte, für etwas Großes bestimmt sein. Für die Länge eines Konzerts war es nur wichtig, die richtige Stimmung für dieses Soundabenteuer zu finden – alles andere rückte in den Hintergrund.

Ja, zu Beginn des Abends konnte man bei allen irgendwie einen ähnlich erwartungsvollen Blick in den Gesichtern erkennen. Und dann waren viele mit einem Mal in einer Art Braids-Mechanismus gefangen. Ich wurde das Gefühl nicht los, man hätte sich diesem auch nicht wirklich entziehen können. Es war Dreampop à la carte, der an diesem Abend serviert wurde, und irgendwie auch zum Träumen schön, wie die Jever-Kneipenkonzert-Reihe zum Ende des Jahres noch einmal Eindruck machen konnte.

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