Darkside – „Spiral“ (Rezension)

Bild des Albumcovers von „Spiral“ von Darkside

Darkside – „Spiral“ (Matador)

7,4

Ein Wort, das bei einem gesunden Großteil der Leser*innenschaft einen unmittelbaren Fluchtreflex aktivieren sollte: „Jam-Band“. Gruppen wie Phish oder The Dave Matthews Band haben dem Genre einen berauschend schlechten Ruf beschert. Der Begriff steht synonym für viel zu lange Konzerte, sich an sich selbst aufgeilende Instrumental-Soli, gute Laune und kultigen Stoner-Lifestyle.

Trotz dieser schlechten Reputation bezeichnen sich Darkside als eine Jam-Band. Die beiden Mitglieder dieses Projekts spielen eigentlich Musik, die von den oben erwähnten Genre-Klischees eigentlich recht weit entfernt ist. Nicolás Jaar bedient als Künstler so ziemlich alle Spielarten der elektronischen Musik. Von der sphärischen Electronica seines Debüts „Space Is Only Noise“ über den mikrotonalen Ambient der im vergangenen Jahr erschienenen LP „Telas“ bis zu den gnadenlos tanzbaren Deep-House-Attacken seines Alter Egos Against All Logic. Dave Harrington ist ein ausgebildeter Jazz-Gitarrist, der zwar, wenn er wollte, stundenlang vor sich hin gniedeln könnte – es aber in seiner Avant-Jazz-Band Dave Harrington Group bewusst nicht tut. Beide Musiker legen in ihrer Kunst mehr Wert auf Atmosphäre als auf Virtuosität.

Der selbstauferlegte „Jam-Band“-Charakter von Darkside hat (zum Glück) mehr mit der gemeinsamen Arbeitsweise zu tun, als mit der Ästhetik. Jaar und Harrington arbeiteten zum ersten Mal 2011 auf der „Space-Is-Only-Noise“-Tour zusammen. Kurze Zeit später begann die Zusammenarbeit der beiden Musiker. Sie improvisierten in ausgedehnten Sessions miteinander – und beflügelten sich gegenseitig. Darkside war geboren. Ihr 2013er Debüt „Psychic“ ist ein moderner Klassiker, ein betörendes Hybrid-Wunderwerk aus Space-Rock, Funk und Electronica.

Existenzkrise beim nächtlichen Spaziergang

Auch „Spiral“, der lang erwartete Nachfolger, ist das Ergebnis aus diversen Jam-Sessions. Genau wie sein Vorgänger handelt es sich hier um eine detailverliebte Psychedelia-Wundertüte: Die lang ausgedehnten, mit subtiler Polyrhythmik und Dutzenden Synthesizer-Schichten verzierten Tracks sind der perfekte Soundtrack für die Existenzkrise beim nächtlichen Spaziergang. Das Duo meistert erneut den Spagat zwischen Nervosität und Verträumtheit. Harringtons überraschend bluesige Gitarre bietet einen erdenden Kontrapunkt zu Jaars spacigen Synth-Exkursionen.

Was „Spiral“ im Vergleich zum Vorgänger aber fehlt, sind die fokussierten Banger. Selbst die kürzesten Songs des Albums, wie die schleppend groovende Single „Liberty Belle“, entpuppen sich als mehrteilige, leider etwas mäandernde Mini-Epen. Diese haben immer wieder Momente, die faszinieren – wie die Küchengeräte-Percussions in „The Question To See It All“, die staubige Slide-Gitarre in „Liberty Belle“ oder der polyrhythmische Kraut-Freakout von „Inside Is Out There“. Doch um bis zu diesen Momenten zu gelangen, muss man geduldig sein – und ein paar Jam-Exkursionen ertragen.

Veröffentlichung: 23. Juli 2021
Label: Matador

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