And The Golden Choir – „Another Half Life“ (Cargo)
Kunst erweitert das Bewusstsein, aber sie stellt es auch infrage, wühlt es auf oder erinnert an dessen Beschränktheit. Und manchmal spielt einem die eigene Wahrnehmung einen Streich. Hat der Autor dieser Zeilen beim Anhören des neuen Albums „Another Half Life“ von And The Golden Choir doch rund fünf Minuten lang nicht bemerkt, dass gerade lediglich der erste Song spielt und dieser auch noch auf Repeat läuft. Das ist vor allem bemerkenswert, weil dieser mit „Another Half Life“ betitelte Song nur 46 Sekunden lang ist. Doch die Verbindung aus dem dichten, mehrstimmigen Chor und den Mantra-haften Zeilen erzeugen einen narkotischen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Ähnlich vereinnahmend, wenn auch eingängiger und weniger subtil, sind auch die elf nachfolgenden Songs zwischen Indiepop, Folk und gospelartigen Chorkompositionen. Ob das catchige, an 90er-Jahre–Indie erinnernde „It’s Not My Life“, das mit überraschender Rhythmik aufwartende „Dead End Street“ oder das entschleunigt-balladeske „In Heaven“ – And The Golden Choir klingt mit seiner breiten Instrumentierung aus Violinen, Schlagzeug, Klavier, Gitarre und Bass an jeder Stelle wie eine sechsköpfige Band exklusive Chor. Doch auch hier schlägt die Wahrnehmungsfalle wieder zu. Denn laut Pressetext handelt es sich nicht um eine Band, sondern um das Soloprojekt von Tobias Siebert, der für sein Debütalbum alles selbst eingespielt und eingesungen hat. Das macht die Platte in all seiner bisweilen zu viel wollenden Opulenz zwar nicht direkt besser, aber interessanter. Noch interessanter wäre es, wenn Siebert, der sonst als Produzent für Phillip Boa, Juli, Virginia Jetz! oder Kettcar bekannt ist, die Stücke auch live alleine performen würde.
Label: Cargo
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